Die Seelenzauberin - 2
Wir müssen ihn nur richtig entschlüsseln.« Er kniff die Augen zusammen und studierte aufmerksam seine Notizen. »Drei Damen … die Älteste … hat das irgendetwas mit Abstammung zu tun?«
Kamala tat gerade so lange, als müsse sie über die Antwort nachdenken, dass es glaubwürdig war. »In Alkal gibt es einige Monumente«, sagte sie dann langsam und wandte sich an Rhys. »Wie hattest du sie noch genannt?«
»Die Drei Schwestern. Drei vom Wind geformte Felstürme am Nordrand der Zentralebene von Alkal werden die Drei Schwestern genannt.« Rhys sagte das mit einem sonderbaren Ausdruck in den Augen; sie begriff erst mit Verspätung, was der Grund dafür war.
Rhys hatte über die Drei Schwestern nur mit Namanti, nicht aber mit Kamala gesprochen. Und zwar schon einige Zeit, bevor Kamala zu ihm gekommen war. Woher wusste sie also, was er damals gesagt hatte?
»Nun denn.« Rommel tauchte seinen Federkiel in die Tinte und kritzelte neue Notizen neben die alten. »Die Drei Schwestern in Alkal. Das heißt, die älteste wäre …«
»Die höchste«, sagte Lazaroth. Er hatte bisher geschwiegen und mit finsteren Blicken verfolgt, wie Kamala und Ramirus die Brosamen ihres gestohlenen Wissens verstreuten. Er war schlau genug, um zu ahnen, dass etwas im Anzug war, und er war nicht begeistert.
Rhys nickte steif. »Das ist die Säule, die Anukyats Zitadelle überragt. Der Fuß des Monuments ist Teil der Anlage.«
»Und der Verweis auf einen Dämmerthron?«
Kamala lächelte voller Genugtuung und dachte bei sich: Dafür braucht man keine Zauberkräfte. »Die Diener erwähnten so etwas, als ich in der Zitadelle war. Es handelt sich um einen großen uralten Stuhl aus Knochen. Er ist mit blauschwarzem Leder überzogen, Leder in der Farbe der Dämmerung, sagten die Diener. Er befindet sich ganz oben im Turm. Sie nannten ihn den Thron der Tränen.« Sie hielt inne und durchforstete ihr Gedächtnis. »Dann und wann sei irgendein törichter Bursche hinaufgeklettert, um danach zu suchen. Keiner sei jemals zurückgekehrt.«
Gwynofar nickte. »In alten Zeiten soll es einen Thron aus den Knochen und Schwingen der Seelenfresser gegeben haben. In heutiger Zeit glauben manche, er sei nur ein Mythos gewesen, er hätte niemals wirklich existiert.«
»Anukyat glaubt offenbar daran«, murmelte Favias. »Warum sonst sollte er mitten im Nirgendwo einen befestigten Außenposten unterhalten?«
»Vor diesem Sitz muss also ein Blutopfer dargebracht werden«, sagte Rhys. »Verstehe ich das richtig? Damit wird dann ein uralter Zauber zum Leben erweckt, vergessene Wahrheiten werden offenbart und die Götter werden bewogen, uns vor den Seelenfressern zu beschützen?« Zum ersten Mal hatte er in seiner Stimme das volle Ausmaß seines neu gefundenen Zynismus’ mitschwingen lassen, und Kamala hielt den Atem an und fragte sich, ob die anderen wohl aufhorchen würden. Aber sie schienen zu sehr damit beschäftigt, das Rätsel zu lösen, um die Bitterkeit in seiner Stimme zu bemerken – oder sie wollten sie einfach nicht wahrhaben.
»In der Weissagung steht kein Wort von den Göttern«, bemerkte Rommel. Eine einfache Feststellung, aber ironischerweise genau das, was Rhys hören wollte; Kamala sah, wie ihr Reisegefährte sich ein wenig entspannte, als ihm klar wurde, dass er nicht so zu tun brauchte, als ehre er die Götter, die ihn verraten hatten.
»Es ist davon die Rede, dass die sieben herrschenden Geschlechter gemeinsam handeln«, sagte Ramirus. »Vielleicht sogar in einer einzigen Person verkörpert.« Er strich sich nachdenklich seinen langen Bart und tat so, als denke er über das Problem nach. Tatsächlich hatten ihm Kamalas Ziegelscherben bereits die meisten Angaben geliefert, die er brauchte. Er spielte nur Theater, um Lazaroth zu täuschen. »Könnte es eine Person geben, die aus jedem Geschlecht die gleiche Zahl von Vorfahren hat?«
Bei dieser Frage gruben sich tiefe Furchen in Rommels Stirn. »Nun, es wäre nicht ganz so einfach, da jeder Vorfahre nach der ersten Generation selbst in unterschiedlichem Verhältnis verschiedene Erbstränge in sich trüge, aber theoretisch ließe sich das schon ermitteln. Seht her …« Er breitete seine Stammbaumdiagramme auf dem Tisch aus. »Wenn wir die unvermeidliche Verwässerung in jeder Generation mit einbeziehen, können wir eine Formel erstellen, die es uns gestattet, das Blut jedes lebenden Lyr auf seine genaue Beziehung zu jedem der ursprünglichen Sieben zu untersuchen. Bei Erzprotektor
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