Die Seelenzauberin - 2
erzittern, sobald eine Wolke vorüberzog. »Es hat in diesem Sommer fast täglich geregnet, das kommt nur selten vor. Wenn die Natur mitspielt, wachsen die Pflanzen schnell.«
»Gut, dass Ihr das sagt, sonst hätte ich nämlich nicht an die Natur gedacht. Ich hätte eher gesagt, Ihr habt sehr fähige Hexen, und ihre Opferbereitschaft lasse für Eure Herrschaft nur Gutes erwarten.«
Ein Schatten glitt über Salvators Gesicht. »Ich würde keiner Hexe und keinem Hexer befehlen, ihre Lebensenergie für eine solche Banalität zu vergeuden. Selbst wenn mir ein solches Geschenk dargebracht würde, ich würde es nicht annehmen.«
»Dann seid Ihr ein außergewöhnlicher Mann. Den meisten Königen ist jede Macht willkommen, woher sie auch stammt.«
»Die meisten Könige sind auch keine ehemaligen Büßermönche«, entgegnete er ruhig.
Wieder sah sie ihn an. Zum ersten Mal spürte er ein Zögern. War es echte Unsicherheit oder wieder nur einer ihrer raffinierten Kunstgriffe? Sie fuhr sich mit der Zunge über die vollen Lippen, überlegte kurz und sagte schließlich: »Ich hoffe, es ist nicht … ungehörig … Euch eine Frage zu stellen? Euren Glauben betreffend?«
»Keineswegs.« Ein schwaches Lächeln. »Das haben heute schon viele getan. Und es wird in den kommenden Tagen wohl noch öfter geschehen.« Nur wenige von diesen Fragen hatten Respekt verraten, obwohl sie alle in respektvollem Ton vorgebracht worden waren, aber das behielt er für sich. Für die meisten seiner Gäste war sein Glaube nicht von dieser Welt, und sie empfanden die Mönche, die zwischen den bunt gekleideten Pfauen dieses Hofes umhergingen und schweigend beobachteten, wie die eitlen jungen Adeligen ihr Gefieder spreizten, wie eine ernste Mahnung. Das konnte allerdings die Pfauen nicht davon abhalten, sich immer wieder von Neuem aufzuspielen. Oder sich mit dem gleichen Widerwillen nach Salvators Klosterjahren zu erkundigen, als fragten sie einen Gefangenen im Kerker nach der Anzahl der Maden in seiner Brotration. »Ihr könnt ganz offen sprechen, ich bitte sogar darum.«
Sie lächelte. »Ihr seid zu gütig, Majestät.« Ihre schmale Hand näherte sich, als wollte sie seinen Arm berühren, hielt aber dann inne und sank graziös an ihrer Seite herab. Natürlich waren heute schon viele Frauen vor einer Berührung zurückgezuckt, doch in ihrem Fall schien dieses Zögern nicht so sehr von Furcht als von Achtung vor seinem Glauben bestimmt zu sein. Eine angenehme Abwechslung, auch wenn das Manöver wahrscheinlich genauso sorgfältig inszeniert war wie alle anderen.
»Bitte«, sagte er, »nennt mich Salvator.«
Sie quittierte das Angebot mit einem leichten Nicken. »Aber nur, wenn Ihr mich Siderea nennt.«
Er nickte ebenfalls. »Einverstanden.« Er lehnte sich mit einem Seufzer rückwärts gegen die Brüstung. Die Bewegung wirkte lässig, aber sie war weniger ein Versuch, die Atmosphäre zu entkrampfen, als ein Zeichen körperlicher Erschöpfung. »Was möchtet Ihr denn nun über meinen Glauben wissen, Siderea? Hier oben werden wir wohl ausnahmsweise einmal nicht unterbrochen.«
Sie lehnte sich neben ihn an die Brüstung; die weiche Seide umspielte ihre Rundungen. »Es dürfte Eurer Aufmerksamkeit nicht entgangen sein, dass wir beide die einzigen Monarchen auf diesem Kontinent sind, die auf einen festen Kontrakt mit einem Magister verzichten. Natürlich weiß jedermann, dass ohne Magister kein Mensch einen Thron halten kann.« Sie wickelte sich eine Haarsträhne, die sich gelöst hatte, langsam um einen Finger. »Es gibt Stimmen, die diese Entscheidung in meinem Fall für einen Fehler halten, obwohl es kein Geheimnis ist, dass ich gesellschaftliche Beziehungen zu verschiedenen Magistern pflege und mir deshalb solche Kapriolen leisten kann. Ihr scheint mir aber kein Mann zu sein, der Magistern schmeichelt und sie umwirbt, um sich ihre Gunst zu erhalten. Ihr … weist sie einfach ab. Ich muss gestehen, dass ich gerne wüsste, was Euch dazu treibt, einen derart verwegenen Kurs zu fahren.« Sie lächelte. »Ihr versteht … ich dachte, ich wäre mit meinen Vorurteilen allein, und dann kommt Ihr daher.«
Salvator nickte. Ja, darin gleichen wir uns, sosehr wir uns sonst auch unterscheiden mögen. »Die Magister vertreten eine Macht, die nichts kostet. Deshalb üben sie einen verderblichen Einfluss aus und stören die natürliche Ordnung. Nach dem Glauben der Büßer wurden sie geschickt, um die Menschheit nach dem Verschwinden der letzten Seelenfresser in
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