Die Seelenzauberin - 2
nicht einfach verschwinden. Das würde zu viele Fragen aufwerfen.« Sie wehrte seine Proteste mit einer Handbewegung ab. »Ihr wollt doch, dass die Angelegenheit geheim bleibt? Dann könnt Ihr nicht so vorgehen. Bedenkt doch, wenn nur ein einziger Magister wittert, dass es ein Geheimnis gibt, wird er nicht ruhen, bis alles aufgedeckt ist.« Das Wort Magister hinterließ einen bitteren Geschmack auf ihrer Zunge. »Wenn Ihr und Eure Verbündeten nicht gegen Zauberei gefeit seid, ist es besser, die Zauberer erst gar nicht auf Eure Spur zu bringen.«
Er runzelte die Stirn. »Was schlagt Ihr also vor?«
Sie überlegte. »Einen Ausflug der besonderen Art, um an geheimen Orten in den Bergen, die ich sonst niemandem zeigen kann, Zauberkräuter zu sammeln. Wenn meine Leute hören, dass es um Hexerei geht, werden sie nicht allzu viele Fragen stellen. Für Eure Begleitung werde ich irgendeinen Vorwand finden. Ihr könnt die Gruppe so dicht an die Berge heranführen, wie Ihr es für richtig haltet. Wie wir sie danach zurücklassen, können wir uns später überlegen.«
Offensichtlich war er nicht begeistert von ihrem Plan. Natürlich würden ihre Diener auf diese Weise seinem geheimen Ziel näher kommen, als ihm lieb war, aber das war nicht zu ändern. Ob er sich wohl widersetzen, ihr Befehle geben, fordern würde, dass sie seine Anweisungen befolgte? Sie sah ihm an, dass er das gern getan hätte, und sie wusste aus früheren Verhandlungen, dass er sich an die üblichen Formalitäten nicht gebunden fühlte. In diesem Mann loderte ein schwarzes Feuer, und sie wäre jede Wette eingegangen, dass der Befehl einer Frau, ob Königin oder nicht, diese Flammen immer höher schlagen ließe. Wonach hungerte seine Seele in diesem Moment wohl mehr – nach der Bestätigung seiner männlichen Überlegenheit oder nach der gesitteteren Befriedigung, die ihm eine fruchtbare Zusammenarbeit bescheren konnte? Die Antwort auf diese Frage könnte ihr viel dabei helfen, ihn in Zukunft richtig zu nehmen.
In Zukunft. Was für ein herrlicher, kraftvoller Ausdruck! Vor nicht allzu langer Zeit hatte es für sie keine Zukunft mehr gegeben.
»Wir werden so vorgehen, wie Ihr meint«, sagte Amalik steif. »Meine Königin.«
Aha , dachte sie, er hat das verborgene Feuer wieder gebändigt.
Bis zum nächsten Mal.
Sie reiste mit acht Gardisten zu ihrem Schutz und einer Handvoll Dienern zu ihrer persönlichen Betreuung. Natürlich glaubten die Diener, sie hätte die Macht, nicht nur alle denkbaren Schwierigkeiten zu bewältigen, sondern sich notfalls auch mit einer einzigen Handbewegung eine Mahlzeit zuzubereiten. Aber da sie kein Magister, sondern eine Hexe war, oblag es ihnen, dafür zu sorgen, dass das nicht erforderlich wurde. Der ganze Tross musste mitkommen und all die Zelte, Teppiche und Seidenpolster tragen, auf die eine Königin in der Wildnis keinesfalls verzichten konnte.
Amalik behagte der Trubel gar nicht, und er machte kein Hehl daraus, sondern nützte jede Gelegenheit, um sie spüren zu lassen, dass er es eilig hatte und lieber mit leichterem Gepäck gereist wäre. Sie hatte die Diener zwar nicht bloß mitgenommen, um ihn zu ärgern, aber nun zeigte sich doch, dass er immer weniger darauf achtete, sein wahres Ich zu verbergen, je aufgebrachter er wurde. Schon am zweiten Tag der Reise war sie sicher, dass er keine Erfahrung im Umgang mit Adeligen und auch nicht mit Frauen hatte, vielleicht sogar mit Menschen überhaupt. Am liebsten ritt er weit voraus und redete sich dabei wahrscheinlich ein, er sei allein, und Siderea folge ihm fügsam und ohne Widerrede. Zum Glück für beide würde dieser Traum nie Wirklichkeit werden, dachte sie. Die Illusion hätte nicht lange gehalten.
Am Abend pflegte er zu verschwinden, wahrscheinlich suchte er sich irgendwo in der Wildnis ein Lager. Aber er blieb immer vor ihnen, vielleicht aus Angst, einer ihrer Gardisten könnte sonst die Rolle des Kundschafters übernehmen und Dinge sehen, die er nicht sehen sollte. Pünktlich bei Tagesanbruch kehrte er zurück, aber er wirkte unausgeschlafen, hatte sich nicht einmal flüchtig gesäubert und ließ sein Pferd ungeduldig auf und ab traben, während ihre Diener die Sachen zusammenpackten.
Am Morgen des vierten Tages brachte er zwei Männer mit. Sie sahen ebenso hager und hungrig aus wie er, aber hier hörte die Ähnlichkeit auch schon auf. Einer war schwarz wie Ebenholz, sein ebenso schwarzes Kraushaar fiel ihm in verfilzten Strähnen bis auf die Schultern, und
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