Die Seevölker
W. F. Albright hat sich entschieden für die Auffassung von Griffith ausgesprochen –
in: »An Anthropoid Clay Coffin from Sahab in Transjordan«, American Journal of Ar-
chaeology, (1932), S. 302-04.
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zwei Facharchäologen im gleichen Buch ihre gegenteiligen Auffassun-
gen vor den Lesern ausgebreitet haben.
Ägyptische Tribute an Arsa, den Fremdling
Angesichts zweier ähnlicher und verblüffender Divergenzen in den
Schätzungen von Wissenschaftlern, von denen die erste sich auf das
Alter der Kacheln aus dem Palast Ramses' III. in Teil el-Jehudijeh be-
zieht und die zweite auf das Alter der Tumuli im nahegelegenen
Friedhof, empfiehlt sich als nächster Schritt das Studium der Texte, die
uns aus der Regierungszeit dieses Pharaos erhalten geblieben sind. Er
hinterließ umfassende in Stein gehauene, von Reliefs begleitete In-
schriften an den Wänden seines Totentempels in Medinet Habu im
westlichen Theben; sie befassen sich hauptsächlich mit seinen militä-
rischen Heldentaten. Auch Papyrus-Texte hat er hinterlassen. Der
größte von ihnen ist der sogenannte Große Papyrus Harris, der sich
heute im British Museum in London befindet – der längste überhaupt
existierende Papyrus. Er ist ein prachtvolles Dokument, keine Schrei-
berkopie: mehr als 40 Meter lang und etwa 42cm breit; er umfaßt 117
hieratische, d.h. in der meist für religiöse Texte verwendeten kursiven
Hieroglyphenschrift geschriebene Spalten.1
Dieses Dokument hat den Charakter eines Testaments des Königs,
und man hat auch vermutet, es sei im Namen Ramses' III. von seinem
– wenn auch nicht erstgeborenen – Sohn und Nachfolger abgefaßt
worden, der den heutigen Historikern unter dem Namen Ramses IV.
bekannt ist.2
Der König spricht zwar in der ersten Person, er wird aber auch
»Gott« genannt, eine Bezeichnung, die in der Regel verstorbenen Kö-
nigen vorbehalten bleibt; allerdings sind uns auch Fälle bekannt, in
denen ein noch regierender Monarch als »Gott« bezeichnet wurde. Der
Papyrus führt die Zuwendungen auf, die Ramses III. für den Tempel
von Amun-Re, Mut und Chons – die Triade von Theben – gemacht hat,
ferner für die Tempel von Thoth in Hermopolis, von Osiris in Abydos,
von Sutech in der Residenz, von Ptah in Memphis, von Horus in Athri-
bis, von Re in Heliopolis und für viele andere Heiligtümer, von denen
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einige auch auf sein Geheiß erbaut worden waren; über seine Groß-
zügigkeit wird im Detail ausführlich berichtet; damit sicherte er sich
das Wohlwollen der Götter und der mächtigen Priesterkaste. Der Text
ist von verschiedener Hand geschrieben, und er schließt mit einem
Überblick über die vergangene Zeit, die Ramses III. und Sethnacht vo-
rausging, der seinen Sohn Ramses III. als Nachfolger bestimmt hatte;
betont wird die Sicherheit, die der König für sein Land erreicht hatte –
die Infanterie, die Streitwagenkräfte und die Söldner, sie alle sind jetzt
ohne Beschäftigung, da der König seine Feinde allesamt besiegt und
dem Lande den Frieden beschert hatte; er hatte im gesamten Niltal
Bäume gepflanzt, Myrrhe »vom großen Meer des umgekehrten Was-
sers« (das wir an anderer Stelle als das Tote Meer identifizieren wer-
den) importiert, Kupfer aus »Atika« auf den Schiffen jenes Landes
(dessen ungefähre Lage wir später auch noch diskutieren werden) her-
beigeschafft und Ägypten zu einem wahren Paradies gemacht. »Ich
bewirkte, daß Ägyptens Frauen frei umhergehen konnten, wo immer
sie wollten, und von niemandem auf der Straße belästigt wurden.« Die
Papyrusrolle endet mit einem Befehl und einem Appell an alle Staats-
beamten und Offiziere des Landes, sich loyal hinter seinen Sohn und
Thronfolger Ramses IV. zu stellen. 12
Aus historischer Sicht ist der wichtigste Teil des Papyrus derjenige,
in dem ein Überblick über jene Zeit gegeben wird, die der Regierungs-
zeit Ramses' III. und der seines Vaters und Vorgängers Sethnacht vo-
rausging.
»Das Land Ägypten war von außen her unterjocht, und jeder war
aus seinem Recht geworfen; sie hatten keinen obersten Mund viele
Jahre lang, früher vor anderer Zeit. Das Land Ägypten war in den Hän-
den von kleinen Machthabern und Stadtherrschern, und einer schlug
den anderen, groß und klein.«
Das Land stand unter der Oberherrschaft einer fremden Macht (es
wurde »von außen her unterjocht«), und die Bevölkerung wurde mora-
lisch verderbt. Die Worte »sie hatten keinen obersten Mund
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