Die Seevölker
Revolte
bestellte Artaxerxes I. ein Mitglied des Königshauses namens Arsames
zum Satrapen von Ägypten. Über ihn und sein Wirken sind Berichte in
Keilschrift auf Tontafeln, in aramäischer Sprache auf Papyri und Schrift-
rollen (hier wird er Arsham genannt), sowie bei den griechischen Auto-
ren Ktesias und Polyainos (bei ihnen heißt er Arsames) erhalten ge-
blieben. Die früheste Tontafel, die sich auf ihn bezieht, datiert noch aus
der Zeit vor der Rebellion des Inaros, genauer aus den ersten Regie-
rungsjahren von Artaxerxes I. (–463 oder –462).1Vor seiner Ernennung
zum Satrapen von Ägypten – und wohl auch der gesamten Region
zwischen dem Euphrat und Ägypten – hatte Arsames im weitausgrei-
1 G. R. Driver: Aramaic Documents of the Fifth Century B. C. (Oxford 1954).
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fenden persischen Reich bereits einige andere Spitzenpositionen ein-
genommen.
Nach dem Tod von Artaxerxes I. bemächtigte sich ein Sohn von ihm
unter dem angenommenen Namen Xerxes (II.) des Thrones. Ihn ließ
ein Halbbruder ermorden, der selbst den Thron übernahm und dann
seinerseits ermordet wurde. Arsames trug wesentlich dazu bei, daß
Ochus auf den Thron kam, der sich Dareios (II.) nannte; die Chronisten
nannten ihn Nothus, einen Bastard, da er ein unehelicher Sohn des
toten Königs war. Er war grausam und eitel. Die Unterstützung durch
Arsames war entscheidend dafür, daß Ochus diese höchste Machtposi-
tion erlangte; daher überhäufte er als Dareios II. Arsames mit Ehren
und Reichtümern – letztere in Form von umfangreichen Ländereien in
Babylonien und Ägypten.
Die Zeit vom frühesten Dokument, das sich auf Arsames bezieht
(unter Artaxerxes I.) bis zum letzten (unter Dareios II.) umfaßt eine
Spanne von 53 Jahren; seine Macht während dieses gesamten Zeitraums
war ungehemmt, und er drückte auf die gesamte Region »jenseits des
Flusses«, d.h. westlich und südlich des Euphrats. Den Bauern und Hir-
ten, die in diesen riesigen, ihm übereigneten Ländereien lebten und
sich für ihn abplackten, bürdete er schwere Lasten auf; die Verwalter
(Gouverneure) und Schatzmeister der Satrapien handelten zugleich
auch als seine Privatangestellten; sie kassierten die Nutzungserträge in
erster Linie für ihn selbst, aber auch für einige andere privilegierte
Mitglieder des Königshauses, die in Babylon, Susa und Persepolis
residierten.
Zusätzlich zu dieser Ausbeutung durch seinen Satrapen mußte
Ägypten noch eine jährliche Tributzahlung an die persische Krone ent-
richten, die von dem Verwalter (Gouverneur) erhoben wurde, der zu-
gleich als oberster Schatzmeister fungierte, und die von ihm persönlich
zu Arsames nach Babylon überbracht wurde.
Seit der Regierungszeit Dareios' I. war jede Satrapie zu einer regel-
mäßigen Tributzahlung verpflichtet; Ägypten gehörte, wie Herodot
berichtet und ein heutiger Wissenschaftler bestätigt, »zu den größten
Einkommensproduzenten für den Thron; es mußte 700 Talente auf-
bringen, das ist doppelt soviel, wie ganz Syrien und Palästina gemein-
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sam zu leisten hatten«.2 Außerdem mußte Ägypten noch die persische
Garnison und die mit ihr verbündeten Besatzungstruppen – haupt-
sächlich aus der anatolischen Region – mit 120000 Rationen versorgen.3
Unter der Regierung von Dareios II. wurden derartige Tributzah-
lungen sogar noch drückender.
Für moderne Historiker war Arsames eine wohlbekannte Persönlich-
keit, noch bevor die Schriftrollen, die wir gleich erörtern werden, den
Wissenschaftlern zugänglich wurden. Der Umfang seiner geschäftli-
chen Tätigkeiten in Babylonien, wo er große Güter mit Weideland be-
saß, läßt sich aus Keilschrifttafeln abschätzen: Im 11. Jahr der Regie-
rungszeit Dareios' II. (d.h. –413/12) führte er an einem Tag eine Trans-
aktion mit 1809 Stück Vieh in Nippur in Babylonien durch, und an den
folgenden beiden Tagen Transaktionen mit 582 weiteren Stück Vieh. In
der Regel wurde das Vieh verpachtet, und der Pächter war für den
Zusammenhalt und die Pflege der jeweiligen Herde verantwortlich.4
L. Borchardt, dessen Hauptinteresse im Bereich der Ägyptologie
dem Studium der antiken Kalender galt, erhielt im Jahr 1932 in Kairo
von einem Antiquitätenhändler das Angebot, einen großen Lederbeu-
tel voll von Schriftrollen in aramäischer Sprache anzukaufen. Der
Händler wollte oder konnte den Fundort dieser Schriftrollen nicht
nennen, aber aus ihrem Inhalt konnte man darauf
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