Die Seevölker
viele Jah-
1 Das Faksimile des Textes wurde 1876 von S. Birch herausgegeben. Es wurde von J.
Breasted ins Englische übersetzt, und zwar in: Ancient Records of Egypt (1906-07), IV, Sekt. 182-412.
2 W. Struve in Aegyptus, VII (1926), S. 3ff.
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re lang« bedeuteten, daß es weder einen König noch eine zentrale Re-
gierungsgewalt gab; örtliche Machthaber, Stadtfürsten und andere
Mächtige handelten ohne Gesetz.
»Andere Zeiten kamen danach mit leeren Jahren. Arsa, ein gewisser
Syrer (Hrw)3, war in ihnen Oberhaupt. Er ließ sich vom gesamten Land
Tribut zahlen; er versammelte seine Gefährten und plünderte ihre Be-
sitztümer (der Ägypter). Die Götter behandelte er wie Menschen, und
keine Opfer wurden in den Tempeln mehr dargebracht.«
Nach diesen elenden Zeiten gab Userchaure-meriamun-setpenre
Seth-nacht-merrere-meriamun »dem gesamten Land, in dem der Auf-
ruhr entbrannt war, die Ordnung wieder; er schlug die Rebellen, die im
Lande Ägypten waren; den erhabenen Thron Ägyptens reinigte er«.
Die Macht des Königs wurde wieder fest etabliert, und nach den vielen
Jahren der Unterjochung und der Ausbeutung war der Staat wieder in
Ordnung. Ramses III. (Usermaatre-meriamun Ramesse-hekaon, Leben,
Heil, Gesundheit!) gelang es, Ordnung, Wohlstand und Verteidigung
des Landes noch weiterhin zu verbessern.
Der Anspruch auf die ruhmreichen Heldentaten, die Ramses III.
und seinem Vorgänger Sethnacht nachgesagt werden, überraschte die
Gelehrten, die dieses Dokument studierten, keineswegs. Überraschung
löste bei ihnen die rätselhafte Anspielung auf eine Unterjochung des
Landes »von außen her« aus, denn nach der akzeptierten Version der
Geschichte ist nichts darüber bekannt, daß Ägypten in den Jahren un-
mittelbar vor der 20. Dynastie, derjenigen Ramses' III., von einer frem-
den Macht bezwungen worden war. Es wird behauptet, es existiere
kein anderes schriftliches Dokument, ägyptisch oder ausländisch, das
diese Feststellung von Ramses III. stützen würde. »Es gibt nicht den
leisesten Hinweis darauf«, der mit Ramses' Aussage über eine aus-
ländische Beherrschung Ägyptens unter Arsa übereinstimmen würde.4
3 Wegen der Ungewißheit über die Vokale bei der Hieroglyphenschrift kann man den
Namen Arsa, Irsu oder so ähnlich lesen. J. Breasted sprach sich für Jarsu, Arizu oder
Arzu aus. W. Hayes und J. Wilson gaben Irsu den Vorzug, A. Gardiner Arsu. H-rw ist
die Bezeichnung für einen Palä-stiner, Syrer (Aramäer) oder Hurri(ter). Vergl. A. H.
Gardiner: Ancient Egyptian Onomastica, Bd. I (1947).
4 H.Junker: »Die Aegypter«, in: Junker und Delaporte: Die Völker des antiken Orients, Freiburg 1933, S. 153.
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Außerdem vergingen nach der akzeptierten Version der Geschichte
nur wenige Jahre zwischen dem Ende der 19. und dem Beginn der 20.
Dynastie; im Papyrustext ist aber die Rede von einer längeren königs-
losen Periode, die in der Herrschaft von Arsa gipfelt, der das Land sich
selbst und seinen Gefährten tributpflichtig machte. Weder glaubt man,
in der historischen Abfolge der Ereignisse für die geschilderten Vor-
gänge Raum zu finden, noch lassen sich die Vorgänge mit dieser Peri-
ode in Einklang bringen. Die Person des Arsa ist verwirrend, und doch
heißt es, die »Herrschaft eines sonst unbekannten« fremden Usurpa-
tors »ist sicher verbürgt«5, und das aufgrund der ausdrücklichen Fest-
stellung im Papyrus.
Diese Stelle wird daher als »seltsame Passage« angesehen und hat
die Aufmerksamkeit der Historiker ausgiebig beansprucht. Um die
Identität von Arsa festzulegen und um seine Herkunft und Bedeutung
zu erklären, wurden mehrere forcierte Thesen vorgebracht. »Es ist
durchaus möglich«, schrieb ein Wissenschaftler, »daß Irsu entweder
das Epitheton (›der aus eigener Kraft Emporgekommene‹?) für einen
der letzten Herrscher der 19. Dynastie gewesen ist, der möglicherweise
eine syrische Mutter hatte, oder daß es sich bei ihm um einen von meh-
reren syrischen Würdenträgern handelte, die zur Zeit der Ramessiden
Macht und Bedeutung erlangten«.6
Jedoch, es wird von Zeiten ohne einen legitimen Herrscher im Lan-
de gesprochen; außerdem folgt dem Namen Arsa ein Zeichen, mit dem
Ausländer gekennzeichnet wurden, und das nicht hinter dem Namen
eines ägyptischen Pharaos stehen würde, selbst wenn dieser tatsächlich
von einer syrischen Mutter abstammte.
War es eine Wiedererinnerung an eine viel frühere Zeit,
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