Die Seevölker
schließen, daß sie
aus der Kanzlei des Satrapen Arsames in Babylon stammten, wo dieser
seine Hauptresidenz hatte, von der aus er nur gelegentlich nach Ägyp-
ten kam, um seine Besitzungen zu überprüfen und Anordnungen zu
erteilen. Sein Bevollmächtigter für die Verwaltung der Provinz Ägyp-
ten oder Gouverneur und oberster Schatzmeister war zunächst ein
gewisser Psamschek und danach ein gewisser Necht-hor, beide Ägyp-
ter. Wir sollten uns diese Männer und ihre Namen merken, denn wir
werden uns später an geeigneter Stelle noch gesondert mit ihnen be-
fassen.
In dem Lederbeutel befanden sich außer einer Anzahl von Fragmen-
2 E. G. Kraeling: The Brooklyn Museum Aramaic Papyri (New Haven 1953), S. 32.
3 Herodot, III, 91. Aus den 120 000 Rationen »läßt sich auf ein Heer in Stärke von 10
000-12 000 Mann schließen«. (Krealing, a.a.O., S. 32).
4 Driver: Aramaic Documents, S. 44.
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ten vierzehn Schriftrollen; eine ging bei dem Versuch, sie zu öffnen,
praktisch verloren. Die Information des Griechen Ktesias – der zu Be-
ginn des vierten Jahrhunderts persischer Hofarzt und zugleich Autor
des Werks Persica war –, daß wichtige offizielle Mitteilungen im persi-
schen Reich auf sogenannte Königsrollen geschrieben wurden, bestä-
tigte sich durch diesen Fund.
Überraschend war die Feststellung, daß die Amtssprache in der Kor-
respondenz zwischen dem persischen Satrapen und seinen Untergebe-
nen Aramäisch war. Der Gelehrte E. Mittwoch, Spezialist für hebrä-
isch-aramäische Sprachen, las die Schriftrollen. In der hebräischen
Sprache bedeutet Aram Syrien, und Aramäisch war ein syrisches Idi-
om. Vereinzelte Zeugnisse scheinen darauf hinzudeuten, daß diese
Sprache im 9. Jahrhundert vor der Zeitwende entstanden ist; zur Zeit
der babylonischen Gefangenschaft der Juden war sie eine von mehre-
ren am babylonischen Hof benutzter Sprachen (Daniel 2:4); im 5. Jahr-
hundert wurde sie unter den Persern zur offiziellen Amtssprache, und
sie trat, wie aus den königlichen Schriftrollen hervorging, nunmehr an
die Stelle der akkadischen (assyro-babylonischen) Sprache.5 Wie be-
stimmte Ausdrücke der in griechischer Sprache abgefaßten Evangelien
bezeugen, war Aramäisch bis zum ersten nachchristlichen Jahrhundert
zur Umgangssprache der Bevölkerung in Palästina geworden. Sowohl
der Talmud von Jerusalem als auch der babylonische Talmud – Schöp-
fungen des 1. bis 5. Jahrhunderts der neuen Zeitrechnung – sind in
aramäischer Sprache abgefaßt.
Die hier erörterten Schriftrollen, die meist in der Kanzlei von Arsa-
mes in Babylon geschrieben worden sind und die in der Kanzlei seines
Bevollmächtigten in Ägypten aufbewahrt wurden, richteten sich an
verschiedene Adressaten: auf der Außenseite einer Schriftrolle stand in
der Regel der Name des Adressaten zusammen mit einer Anmerkung
über das in dem betreffenden Brief erörterte Thema. Die in dieser
Sammlung enthaltenen Briefe sind undatiert, aber aus ihrem Inhalt
kann man schließen, daß sie während der Regierungszeit Dareios' II.
Nothus in der Zeit von etwa –424 bis –410 geschrieben worden sind.
5 A. T. Olmstead: History ofthe Persian Empire (Chicago 1948), S. 116/17ff. Vgl. a.: Esra 4:7; Briefe an und von Artaxerxes wurden in aramäischer (altsyrischer) Sprache geschrieben.
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Zehn der Sendschreiben stammen von Arsames (sie sind in den mei-
sten Fällen von seinem Schreiber in seinem Namen unterzeichnet), und
vier von diesen sind an Necht-hor gerichtet; die drei übrigen Briefe
richten sich auch an Necht-hor, stammen aber von verschiedenen Ab-
sendern, doch wird in ihnen ausnahmslos Arsames erwähnt. Sein Na-
me kommt also in allen erhalten gebliebenen Briefen dieser Sammlung
vor. Die früheren Briefe deuten darauf hin, daß Psamschek auf seinem
Posten der Vorgänger von Necht-hor gewesen ist; außerdem enthält
eine dieser Botschaften einen strengen Verweis für einen Garnisons-
kommandeur, und zwar wegen seiner Insubordination gegenüber
Psamschek. Arsames' Briefe an Necht-hor enthalten keine einleitende
Grußfloskel, und das zeigt die hochmütige Haltung des persischen
Satrapen gegenüber seinem ägyptischen Bevollmächtigten.
Die Briefe befassen sich hauptsächlich mit der Einziehung der Tri-
butzahlungen aus dem Land Ägypten und in noch größerem Ausmaß
mit den Fragen des persönlichen Besitztums an Ländereien und Skla-
ven von Arsames und zwei oder drei Männern aus seiner
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