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Die Segel von Tau-Ceti

Die Segel von Tau-Ceti

Titel: Die Segel von Tau-Ceti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McCollum
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Doch als sie vom Sternenschiff zurückgekehrt war, hatte sie keinen Tag älter ausgesehen als am Tag der Abreise. Im Unterbewusstsein hatte er sie noch als ein Kind betrachtet und erwartet, dass sie tun würde, was er von ihr verlangte. So hatte er die günstigste Gelegenheit verpasst, einen Maulwurf bei den Phelanern zu platzieren.
    »Und was erwarten Sie jetzt von mir? Sie hat doch in den letzten zwei Jahren kaum mit mir gesprochen.«
    »Vielleicht ist der Zeitpunkt gekommen, es noch einmal zu versuchen.«
    »Und wie?«
    »Sie könnten sich zum Beispiel für Ihr Benehmen entschuldigen.«
    »Das habe ich schon versucht. Es hat aber nichts genützt.«
    »Vielleicht wird es dieses Mal etwas nützen, wenn Sie es ernst meinen. Ich weiß, dass Sie sich mit solchen Dingen schwertun, Ben, aber manchmal muss man einfach über seinen eigenen Schatten springen.«
    Tallen seufzte. »Ich werde sie um Entschuldigung bitten, aber sie wird mir wahrscheinlich ins Gesicht spucken.«
    »Nachdem ich sie seit fast zwei Jahren am Verhandlungstisch beobachtet habe, wage ich die Prognose, dass sie sich zurückhalten wird. Außerdem können wir Ihnen vielleicht noch einen Köder mitgeben.«
    »Ja, Sir. Wann soll ich es also versuchen?«
    »Die nächste turnusmäßige Sitzung findet morgen statt. Wieso nicht bei der Gelegenheit?«
    Tallen wirkte plötzlich angespannt, als ob er in Gedanken versunken sei oder auf sein Implantat zugriff. Nach ein paar Sekunden lächelte er. »Das ist einen Versuch wert!«
    »Noch weit mehr als das«, gab Sadibayan zu bedenken. »Wir nähern uns dem Ende der Verhandlungen. Wenn wir Erfolg haben wollen, brauchen wir eine bessere Informationsquelle. Und wenn Sie sich nicht an eine Phelanerin ranmachen wollen, ist Victoria Bronson unsere einzige Hoffnung.«

22
    Das Hauptquartier des System-Rats war ein filigraner Turm aus Glas und Stahl, der im architektonischen Stil des frühen zweiundzwanzigsten Jahrhunderts errichtet worden war. Tory fand ihn potthässlich. Vor allem störte sie sich an den vielen Kanten und Ecken und den überstehenden Etagen. Wenn man direkt vor dem Gebäude stand und an ihm hinaufschaute, hatte es die Anmutung einer umgedrehten Pyramide. Da drängte sich einem die Frage förmlich auf, wie ein so wackliger Schuppen zum Beispiel einem Erdbeben standhalten sollte. In dieser Hinsicht wies der Bau eine Affinität zur Organisation auf, die er beherbergte: Wie der Rat das Beben nach der Entdeckung der Dritten Flotte der Phelaner verkraften würde, war nämlich auch die große Frage.
    Obwohl die PR-Abteilung des System-Rats ihn seit kurzem als »Das Parlament der Menschheit« titulierte, waren seine Wurzeln viel bescheidener. Der Rat war ursprünglich von den gerade unabhängig gewordenen Weltraumkolonien gegründet worden, um eine gemeinsame Front zur Interessenvertretung gegenüber der Erde zu bilden. Als erste terrestrische Nation hatte sich Frankreich im Jahr 2120 dem Rat angeschlossen. Die Franzosen hatten den Mitgliedsantrag damit begründet, eine freiwillige Beschränkung für den Export von vakuumdestillierten Spirituosen zur Erde einzuführen.
    Nach Aufhebung der inoffiziellen Aufnahmesperre für irdische Nationen hatten im Lauf der nächsten Jahrzehnte weitere Länder einen Aufnahmeantrag gestellt. Sie hatten zunächst einen Beobachterstatus erhalten und später die Vollmitgliedschaft. Und wenig später war das Hauptquartier des Rats von Luna City nach New York verlegt worden.
    Es waren bereits zwölf Wochen vergangen, seit die Phelaner ein formelles Ersuchen um einen Kolonie-Standort an den Rat gerichtet hatten. Als Tory, Faslorn und Maratel zu ihrer üblichen Mittwochsitzung zusammenkamen, fragte Tory sich, ob die heutige Zusammenkunft sich von den vorherigen elf unterscheiden würde. Wenn ihre Informanten recht hatten, würde man ihnen den Standort in Australien anbieten.
    Die drei machten sich auf den Weg zu den öffentlichen Lifts. Trotz des Schallabsorptionsfelds hallten Torys Schritte hohl auf der weiten Fläche, während die Phelaner sich in ihrem lautlosen Knöchelgang fortbewegten. Über ihnen erhob sich ein großer Lichthof, der von lichtdurchlässigen Paneelen überdacht wurde. Um den Lichthof zogen sich unzählige Bürogalerien, von denen aus mehrere Köpfe die beiden Außerirdischen beobachteten.
    »Tory, dürfte ich dich eine Sekunde sprechen?«
    Sie erschrak durch den Anruf an ihr Implantat und geriet kurz aus dem Takt. Solche Direktnachrichten waren nicht nur selten

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