Die Segel von Tau-Ceti
Frage.
»Und du bist müde. Ich verstehe.« Er setzte sich ihr gegenüber. Sie setzte sich im Schneidersitz hin und musterte ihn. Er hatte sich verändert. Er hatte an Gewicht zugelegt, hatte einen blasierten Gesichtsausdruck und war äußerlich mehr als drei Jahre älter geworden. Sie erinnerte sich daran, dass er die lange Zeit gelebt hatte, während sie sich in der suspendierten Animation befunden hatte. Effektiv war Ben nun zwei Jahre älter als sie. Das war zwar ein unbedeutender Unterschied, der ihr dennoch irgendwie bedeutend erschien.
Es trat ein unbehagliches Schweigen ein, während sie sich gegenseitig musterten. »Du hast es weit gebracht in meiner Abwesenheit.«
»Nicht annähernd so weit, wie du es gebracht hast. Ihr alle seid echte Helden. Aber diejenigen von uns, die hier geblieben sind, waren auch nicht ganz unbeteiligt daran.
Ich habe mich zum Beispiel als politischer Strippenzieher betätigt und Staatssekretär Sadibayan zu seiner neuen Position verholfen. Wie du dir sicher vorstellen kannst, war die Konkurrenz ziemlich stark.«
»Echt?«
»Ja, wirklich. Wir mussten gegen mehrere Ratsmitglieder in den Ring steigen. Ein paar von ihnen tragen uns das heute noch nach.«
»Ich hätte gedacht, dass man den Umgang mit den Außerirdischen den Fachleuten überlassen würde.«
»Machst du Witze? Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, wie der Botschafter bei den Phelanern im Lauf der nächsten Monate im Rampenlicht stehen wird? Ein Politamateur ist doch gar nicht in der Lage, sich so öffentlichkeitswirksam zu verkaufen. Wenn wir unsere Karten geschickt ausspielen, könnte Botschafter Sadibayan der nächste System-Administrator sein.«
»Meinst du wirklich?«
»Absolut! Und rate mal, wer seine rechte Hand sein wird, wenn er zur Rechten des Ersten Rats sitzt?«
Sie lachte. »Null Ahnung!«
»Jau, niemand anderer als der kleine blonde Bub von Frau Tallen. Aber jetzt haben wir genug über mich geredet. Erzähl mir etwas von deinem Flug.«
Sie zuckte die Achseln. »Da gibt es außer den Berichten mit ein paar Millionen Worten, die wir übermittelt haben, nicht viel zu erzählen.«
»Komm schon, Tory. Ich bin's, der alte Ben. Erinnerst du dich an mich? Wir überlassen diesen trockenen technischen Kram den Jungs mit den dicken Hornbrillen. Ich interessiere mich eher dafür, was diese Aliens wirklich wollen.«
»Sie suchen eine Zuflucht. Sie wollen, dass wir ihnen irgendwo ein kleines Stück Land geben, wo sie Essen für ihre Leute anbauen können«, log sie. »Sie wollen in die menschliche Gesellschaft integriert werden, damit sie ohne die Furcht leben können, dass ihre Umweltsysteme irgendwann verschleißen und sie alle ersticken. Mit anderen Worten, sie fordern das Gleiche, was wir an ihrer Stelle verlangen würden.«
»Eine Zuflucht ließe sich sicher arrangieren - aber das kostet natürlich etwas. Sag mir nur, was du glaubst, wie viel man aus ihnen rausholen kann. Wir sind hier schließlich nicht bei der Heilsarmee, oder?«
»Offen gesagt, Ben, ich glaube nicht, dass es einen Sinn hätte, mit ihnen zu feilschen. Sie haben eine Schatztruhe an Bord dieses Schiffs.« »Hä?«
»Wissen. Das gesammelte Wissen einer mehrere tausend Jahre alten Zivilisation. Wenn wir ihnen helfen, werden sie uns das alles überlassen.«
Tallen stieß dieses schrille Lachen aus, das Tory schon immer leicht genervt hatte. »Mein armer naiver Schatz! Manche Leute werden einen politischen Vorteil aus dieser Situation ziehen, andere werden leer ausgehen. Wie können wir also das meiste Kapital aus der Situation schlagen, in der diese Phelaner sich befinden? Komm schon, du musst dir auf dem Rückflug doch Gedanken darüber gemacht haben.«
»Ich bin eigentlich kaum zum Denken gekommen.«
»Gut. Wie soll die Administration also in Verhandlungen mit diesen Außerirdischen eintreten? Du hast doch bei ihnen gelebt. Du musst doch einen Einblick in ihre Denkweise erhalten haben.«
Torys Lachen war humorlos. »Du würdest dich wundern, Ben.«
»Dann überrasch mich. Wie deichseln wir die Sache,
dass es uns zum Vorteil gereicht ... und natürlich auch dem guten alten Homo sap.«
»Tut mir leid, aber ich kann dir da nicht weiterhelfen.«
»Natürlich kannst du das.«
»Nein, kann ich nicht. Eigentlich dürfte ich überhaupt nicht mit dir darüber sprechen.«
»Wie? Wieso denn nicht?«
»Weil ich nicht für dich arbeite.«
Sie sah förmlich, wie sein Kalkül sich in Rauch auflöste. Sein Blick wurde plötzlich
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