Die Segel von Tau-Ceti
berechnend. »Verstehe ich nicht.«
»Wir stehen nicht auf derselben Seite, Ben.«
»Hat ein anderer Rat dir eine Stelle angeboten?«
Sie lachte. »Du liegst völlig falsch. Ich habe das Angebot von Faslorn angenommen, bei den kommenden Verhandlungen als Vertreter der Phelaner zu fungieren.«
»Unmöglich! Weshalb solltest du dich auf so etwas einlassen?«
Sie schaute in seine vertrauten Augen und sah einen Fremden. Es war ein Anblick, von dem sie wusste, dass sie ihn in den kommenden Monaten oft sehen würde, und das erschreckte sie zutiefst. Als sie ihm dann antwortete, sprach sie so leise, dass er sie kaum verstand.
»Ich hatte meine Gründe.«
Wenn Praesert Sadibayan verärgert gewesen war, als er die Neuigkeit vernahm, war Boerk Hoffenzoller außer sich vor Wut.
»Was zum Teufel geht hier vor, Sadibayan?«, blaffte er auf dem Telefonmonitor. »Ich habe Sie dort hochgeschickt, um eine banale Begrüßungszeremonie abzuwickeln, und Sie erzählen mir jetzt, dass einer unsrer >Helden< zum Feind übergelaufen sei?«
»Das entspricht leider der Wahrheit, Erster Minister.«
Sadibayan mochte den Führer des Rats nicht besonders, musste aber zugeben, dass er sein Handwerk beherrschte. Außerdem verfügte er über die Stimmen, die in der Welt der Politik die einzige Empfehlung von Bedeutung war.
»Hat diese Assistentin Ihres ... ?«
»Tallen, Sir. Benjamin Tallen.«
»Hat er Ihnen gesagt, weshalb Victoria Bronson zu den Aliens übergelaufen ist?«
»Sie wollte es ihm nicht sagen. Er hat sie eine Stunde lang bearbeitet. Weil die Lage dann zu eskalieren drohte, hat er sie in Ruhe gelassen. Er glaubt nämlich, dass er in das Mädchen verliebt sei, müssen Sie wissen.«
»Wäre es möglich, dass das nur ein Zwist unter Verliebten war? Vielleicht hatte sie ihm das bloß gesagt, weil sie wütend auf ihn war.«
»Unmöglich. Das Chef-Alien hat vor zwei Stunden eine Pressemitteilung herausgegeben. Sie beinhaltete, dass er diese Bronson als seine Adjutantin betrachtet. In dieser Mitteilung ist auch die Rede davon, dass sie friedliche Bande zwischen unseren zwei großen Rassen knüpfen möchte.«
»Und was sollen wir jetzt tun? Sie verhaften?«
»Mit welcher Begründung?«
Die Verärgerung stand Hoffenzoller ins Gesicht geschrieben. »Was weiß ich? Bezichtigen Sie sie des Schmuggels seltener außerirdischer Edelsteine, des Verrats oder der Gefährdung eines Weltraumhabitats, weil sie das Fenster offen gelassen hat. Lassen Sie sich etwas einfallen, um Himmels willen!«
»Ich würde davon abraten, Sir. Die Presse scheint Miss Bronson nämlich ins Herz geschlossen zu haben. Sie ist die attraktivere der zwei Frauen, die an dieser Expedition teilgenommen haben, und wirkt so sympathisch-hilflos, wenn ihr vor den Kameras die Worte fehlen.«
»Was schlagen Sie also vor? Dass wir gar nichts tun?«
»Fürs Erste. Wir könnten das aber noch in einen Vorteil ummünzen. Auch wenn sie für sie arbeitet, ist sie schließlich immer noch ein Mensch. Vielleicht können wir sie als eine Art Doppelagentin einsetzen, die uns mit Informationen aus dem Lager der Aliens versorgt.«
»Sie meinen, dass sie für uns spionieren würde?«
»Vielleicht.«
»Haben Sie irgendeinen Einfluss auf sie?«
»Tallen.«
»Ich dachte, sie hätten eine Auseinandersetzung gehabt.«
»Nur ein Zwist, wie Sie bereits sagten, Sir. Ich bin sicher, dass Tallen sie überreden kann, ihm zu verzeihen.«
Hoffenzollers schmerzlicher Blick verschwand plötzlich. Seit der Entdeckung des Lichtsegels hatte er nämlich nichts mehr zu lachen gehabt. Diese Außerirdischen bescherten ihm eine Reihe von Problemen — hauptsächlich schwerwiegende. Und doch erwächst aus jedem Problem zugleich auch eine Chance. Falls es ihnen gelang, Victoria Bronson umzudrehen und als Spionin ins Lager der Außerirdischen einzuschleusen, vermochte er ihren Seitenwechsel vielleicht zu seinem Vorteil zu nutzen.
»Also gut, Pert! Sie haben freie Hand. Ich erwarte einen wöchentlichen Bericht sowie zusätzlich bei jedem besonderen Vorkommnis.«
»Jawohl, Sir.«
»Auf Wiedersehen und viel Glück.« Dann unterbrach der Erste Minister die Verbindung, und der Telefonmonitor wurde dunkel.
Praesert Sadibayan starrte noch für eine Weile auf das dunkle Display. Er hatte soeben seine Jagdlizenz erhalten. Fragte sich nur, wie er sie am besten nutzte.
TEIL 3
Erde
20
Tory Bronson stand am Rand des Daches und schaute nachdenklich auf die hell erleuchtete Stadt. Vor ihr breitete sich ein
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