Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Segel von Tau-Ceti

Die Segel von Tau-Ceti

Titel: Die Segel von Tau-Ceti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McCollum
Vom Netzwerk:
Teppich aus Diamanten aus, der die nahe Küste bedeckte und bei den kleinen Hafenstädten im Hintergrund ausfranste. Eine kühle Abendbrise wehte die Verkehrsgeräusche weg, die vom kilometerlangen Anstieg aus den künstlichen Schluchten unter ihr noch nachhallten. Trotz der Lichter der Stadt war der Himmel eine Kuppel aus Obsidian und bot optimale Bedingungen für Himmelsbeobachtungen. Der fehlende Widerschein der Lichter am Himmel war der polarisierenden Wirkung des Wetterfelds der Stadt geschuldet.
    Tory legte den Kopf in den Nacken und fixierte einen roten Stern auf halber Höhe des Zenits. Mira war ein langperiodischer Veränderlicher und normalerweise zu dunkel, um ihn mit bloßem Auge zu erkennen — doch gelegentlich loderte er zu einem der hellsten Sterne am Himmel auf. Mira war auch in diesem Moment wieder entbrannt und gab einen perfekten Leitstern für Torys Suche ab. Von Mira senkte sie den Blick wieder, richtete ihn gen Osten und verfolgte den unsichtbaren Pfad nach Tau Ceti. Der Überrest der Nova lag dicht überm Horizont, in der Nähe der Positionslampen mehrerer entfernter Flugzeuge. Wenn Tory ein Auge zukniff, vermochte sie gerade noch einen zweiten Stern auszumachen, der die Nova fast berührte. Der zweite Stern glühte xenonblau und war so trübe, dass man ihn kaum sehen konnte. Wenn Tory den Blick für ein paar Sekunden abwandte und dann erneut hinschaute, fand sie ihn trotzdem wieder.
    Plötzlich wurde sie sich bewusst, dass sie den Atem angehalten hatte. Sie stieß einen tiefen Seufzer aus und sog die kühle Abendluft ein. Schon zweimal hatte sie sich auf diese Suche begeben und enttäuscht abgebrochen. Heute Abend stand die Far Horizons aber so nah, dass ihr Lichtsegel am irdischen Himmel zu sehen war. Der winzige Stern würde in den nächsten Monaten immer heller leuchten, bis er schließlich hinter der Sonne verschwand. Und in dem Maß, wie er heller wurde, würde auch das Interesse an den Phelanern und ihren Arbeiten befeuert. Das war das Ziel, auf das Tory und ihre Auftraggeber seit ihrer Ankunft auf der Erde hingearbeitet hatten. Der Masterplan der Phelaner würde nun in seine letzte - und gefährlichste Phase eintreten.
    Es war mittlerweile fünf Jahre her, seit die Fernrohre auf der Rückseite des Mondes das außerirdische Lichtsegel am Rand des Sonnensystems entdeckt hatten. In dieser Zeit war die Far Horizons der Sonne entgegengefallen und hatte ihre Geschwindigkeit an das umgebende interstellare Medium abgeführt. Das Lichtsegel hatte vor ein paar Monaten die Bahn des Pluto gekreuzt und würde bald auch die Marsumlaufbahn queren. Es war eine Schande, sagte sich Tory, dass ihre Heimatwelt zurzeit auf der falschen Seite der Sonne stand. Der Flug des Lichtsegels durch den indigoblauen Himmel der Heimat wäre ein spektakulärer Anblick gewesen.
    Während sie den winzigen Punkt beobachtete, ließ Tory alles Revue passieren, was in den fast zwei Jahren geschehen war, seit sie sich auf der Erde befand. Es waren arbeitsreiche Jahre gewesen, die ihr kaum Zeit zum Grübeln gelassen hatten. Dennoch litt sie darunter, dass ihre Mitmenschen eine so schlechte Meinung von ihr hatten. Die Erinnerung an diese letzte Auseinandersetzung mit Ben Tallen in Elysium Station versetzte ihr noch immer einen Stich.
    Ben hatte ihre Mitteilung zur Kenntnis genommen, dass sie für die Phelaner arbeiten würde. Sie hatten sich gestritten, bis sie ihn gebeten hatte zu gehen. Später hatte sie sich in den Schlaf geweint und tags darauf den ganzen Vorgang noch einmal vor dem geistigen Auge ablaufen lassen. Als Ben sie dann anrief und zum Mittagessen einlud, hatte sie beschlossen, die Dinge mit ihm zu klären.
    Sie hätte aber misstrauisch werden müssen, als er beim Essen ziemlich kleinlaut wirkte - was nämlich völlig untypisch für ihn war. Und er hatte auch gewartet, bis der Nachtisch serviert wurde, bis er mit dem Ansinnen rausrückte, dass sie bei der Arbeit für die Phelaner gleichzeitig für Botschafter Sadibayan spionieren solle. Tory war so perplex angesichts dieses Vorschlags, dass sie den heißen Kaffee auf ihren Schoß geschüttet hatte. Sie hatte eine Minute lang versucht, den Fleck abzutupfen und Ben dann mit ausdrucksloser Stimme gebeten, seine Offerte zu wiederholen. Zu ihrer Überraschung hatte er es auch getan.
    Anstatt noch etwas darauf zu erwidern, hatte sie ihre Sachen gepackt und war abgereist. Das war außer rein geschäftlichen Dingen das Letzte, worüber sie mit Ben gesprochen hatte. Auch

Weitere Kostenlose Bücher