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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Machart gewebte Tunika wirkte dagegen beinahe reinweiß und wurde geschmückt lediglich von je einem um den Saum verlaufenden blauen und blutroten Streifen.
    Niemandem war es erlaubt, jemals zu vergessen, dass dieser grauhaarige Mann mittleren Alters, der derzeit im Namen des kindlichen Kaisers von Rom über Britannien regierte, einst persönlich seine Truppen in die Bergprovinzen von Asien geführt und dort einen Stamm nach dem anderen auf deren eigenem Grund und Boden besiegt hatte. Sein Blick hatte jedes einzelne Mitglied der Stammesdelegationen gemustert, während diese das Forum betreten hatten. Und ein jeder von ihnen hatte dies als eine unangenehme Art des Taxierens empfunden, nicht unähnlich der forschenden Musterung durch einen Träumer.
    Allein bei den Kindern war der Blick des Gouverneurs ein wenig weicher geworden, und das im Grunde auch nur bei Graine. Es hieß, er selbst habe keine eigenen Kinder; das war das Einzige, woran es ihm mangelte. Nun lächelte er das kleine Mädchen sogar an - und anschließend Tagos, welcher vorgab, sie gezeugt zu haben -, ehe er den Blick wieder auf die hölzernen Schachteln und Kisten senkte, die vor ihm auf dem Tisch angeordnet worden waren.
    Breacas Geschenk lag geöffnet vor der Versammlung: ein langes Behältnis aus poliertem Eibenholz, ausgelegt mit eceniblau gefärbter Wolle, in dem drei komplette Speere lagen, ein jeder mit der einzelnen Reiherfeder versehen, die vom Hals des Speers herabbaumelte. Die Hefte waren aus dem gleichen rötlich grauen Holz gefertigt wie die Kiste, und an ihrem Ende trugen sie zur Austarierung des Gewichts Kugeln aus Erdeiche, jede von ihnen in einer leicht von den anderen abweichenden Färbung. Die Speerspitzen waren aus Silber, besaßen eine fein geschwungene Blattform, und in ihre sich verjüngenden Hälse waren spiralförmige Kupferintarsien eingelassen. Auf beiden Längsseiten der Klingen war das Symbol des rennenden Hasen eingeritzt. Die Kanten der Speerklingen zeugten von der Präzision echter Schleifkunst, und scharf glitzerten ihre Spitzen. Jede der Spitzen war genau doppelt so lang wie die jener Speere, die einem Jäger der Stämme gerade noch gestattet waren.
    Der Gouverneur ließ seinen Daumen einmal über die gesamte Länge der Kiste gleiten und prüfte die Beschaffenheit des Eibenholzes. Man behauptete von ihm, sein Geschick in der Kriegsführung würde nur noch von der gewinnenden Art übertroffen, welche er in der Ratsversammlung an den Tag zu legen pflegte. In seinem Lächeln lag eine entspannte Wärme, und die feinen, sich um seine Augen kräuselnden Fältchen kündeten von Humor. Beides hätte in den Ratskammern Roms leicht als wahre Aufrichtigkeit durchgehen können.
    »Man sagte mir, Ihr wärt Schmiedemeisterin.« Der Gouverneur sprach auf Lateinisch und langsam und legte anschließend eine Pause ein. Wie eine Glocke, in einem warmen, bronzenen Ton, klang seine Stimme, und sie wirkte keineswegs bedrohlicher als seine schriftliche Einladung. Falls er jetzt also bloß eine Rolle spielte, falls er die Identität jener Frau, zu der er gerade sprach, bereits kannte und dieses Wissen lediglich verbarg, so war er wahrlich außergewöhnlich talentiert.
    Noch ehe der Dolmetscher die entstandene Pause füllen konnte, erwiderte Breaca gleichfalls auf Latein: »Ja, Euer Ehren. Mein Vater war Schmied. Und ehe er starb, lehrte er mich sein Handwerk. Es war mir eine große Freude, für jene, die es zu schätzen wissen, sein Werk noch einmal neu erschaffen zu dürfen.«
    »Tatsächlich?« Veranius zog eine Braue hoch. Er nahm den vordersten der Speere auf und ließ seine Hand darüber gleiten, bis er den Mittelpunkt der Waffe gefunden hatte. Das Speerheft wippte leicht in seinem Griff, und die silberne Spitze erbebte in dem von Staub durchwirbelten Licht, so dass für diejenigen, die in unmittelbarer Nähe des Gouverneurs standen, der in die Klinge eingeritzte Hase plötzlich tatsächlich darauf entlangzuflitzen schien. Ein Seufzer stieg aus den hinter Quintus Veranius versammelten Reihen der Stammesvertreter auf. Jene, die bereits einmal an einer Speerprüfung teilgenommen hatten, wussten, was sie da gerade sahen. Der Rest verstand bloß, dass sie gerade eine Schönheit zu Gesicht bekamen, die sogar die Welt des Forums noch übertraf.
    Nun lächelte der Gouverneur nicht mehr. Wenn Rom selbst auch keine Speerprüfungen kannte, so besaßen jene, die für Rom kämpften, doch ihre eigenen Prüfungen, die sie im Angesicht ihrer Götter

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