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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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zurück nach Rom mitzunehmen, als Zeugnis seiner Amtszeit, wenn diese einmal endet.«
    Breacas Steine waren kleiner, doch nicht weniger offensichtlich. Sie spürte, wie Tagos an ihrer Seite zusammenzuckte, sich gleich darauf aber wieder zur Ruhe ermahnte. Quintus Veranius, Gouverneur von Britannien von Neros Gnaden, starrte Breaca für einen Augenblick in unverhohlener Verwunderung an, dann warf er den Kopf in den Nacken und lachte. Nach einer Weile stimmten diverse Mitglieder seiner Gefolgschaft in sein Lachen mit ein, wenngleich etwas verunsichert.
    Das Lächeln, mit dem der Gouverneur Prasutagos anschaute, war ein ehrliches Lächeln, und an diesem Tag womöglich sogar das erste dieser Art. Er langte über den Tisch und klopfte dem König auf die Schulter.
    »Mein Freund, Eure verstorbene Ehefrau war uns allen eine Freude, und es tut mir Leid, dass sie nun nicht mehr unter uns ist. Diese hier aber ist ein Juwel von unschätzbarem Wert, und Ihr solltet sie in Ehren halten. Eine Frau, die einen scharfen Verstand besitzt und sich nicht scheut, diesen auch einzusetzen, ist ein seltenes Geschenk. Meine Verehrteste« - er verbeugte sich tief vor Breaca -, »ich werde morgen im Laufe des Tages eine Ratsversammlung einberufen, an der mehrere Offiziere, die erst kürzlich im Westen...«
    Er fuhr zu sprechen fort, seine Lippen bewegten sich, und zweifellos lag in seinen Worten auch ein gewisser Sinn, doch Breaca nahm nichts von alledem mehr wahr. Die Welt bebte und zerfiel in Stücke angesichts jenes dunkelhaarigen Mannes, der hinter Quintus Veranius stand, und der erst durch die kurze Verbeugung des Gouverneurs sichtbar geworden und dann sogleich wieder verdeckt worden war. Es war der Mann mit dem Kopfverband, der erst kürzlich im Westen gedient hatte; jener Mann, der einst an der Küste des Eceni-Territoriums Schiffbruch erlitten und einen ganzen Winter lang in einem ihrer Rundhäuser gelebt hatte - als persönlicher Gast von Macha, der Ersten der königlichen Linie dieses Stammes.
    Graine schob ihre Hand in die ihrer Mutter. Fest packten ihre kleinen, kühlen Finger zu, so dass der Druck Breaca schließlich wieder zur Besinnung brachte und in die Lage versetzte, den Sinn der belustigt wirkenden, doch wohlüberlegten Erwiderung des Gouverneurs zu verstehen.
    »... und was Eure zweite Anmerkung angeht, so weiß lediglich Seine Gnaden der Kaiser, wann ich von meinem hiesigen Posten wieder abgezogen werden soll. Durch den zum Gott erhobenen Claudius erfuhr ich die Ehre, meine erste Amtszeit hier die vollen fünf Jahre über ausüben zu dürfen, und ich habe eine Schwäche für Euer Land entwickelt, so dass ich tief betrübt wäre, Britannien vorzeitig verlassen zu müssen. Ich werde also mein Bestes geben, um abermals so lange bleiben zu dürfen, wie das Gesetz es erlaubt.«
    Er lächelte Breaca an und enthüllte dabei weiße, kräftige Zähne mit einer kleinen Lücke in der Mitte. »Wären damit Eure beiden Fragen abschließend beantwortet?«
    »Das wären sie, und ich danke Euch.«
    Sie war also immerhin wieder im Stande, zu sprechen, was gut war. Der Gouverneur trat daraufhin an ihre linke Seite, was ganz und gar nicht gut war, aber unvermeidlich, und mutig versuchte sie auch diese Situation zu bewältigen. Während sie genauso still und reglos dastand, wie Cunomar etwas früher am gleichen Tag auf dem Hügel über der Stadt gestanden hatte, hob Breaca von den Eceni den Kopf und schaute jenem Mann, den sie als Valerius Corvus gekannt hatte, als Offizier der Legionen und Freund ihres Bruders, direkt in die Augen.
    In der fremden Welt des Forums mit den spiralig gemusterten Marmorfußböden und den weißen, verputzten Säulen, in der alles ganz langsam abzulaufen schien, war Breaca plötzlich wieder ein junges Mädchen - sie stand draußen vor der Schmiede ihres Vaters, mitten im weichen Sonnenlicht des Spätfrühlings und polierte ihre neue, noch geradezu nackte Schlangenspeerklinge. Die Luft war warm und erfüllt von Verheißungen, weitaus mehr Verheißungen, als in der Luft von Camulodunum lagen. Der Strang von Lammwolle in ihrer Hand war ganz schmierig vor lauter Wollfett und ließ die Klinge, die noch kein einziges Mal getötet hatte, bläulich schimmern.
    Mit der Naivität eines Menschen, der meint, die Welt würde sich nie verändern, hatte Breaca damals ihre Klinge flach auf den Handflächen balanciert und sie dem dunkelhaarigen Römer angeboten, den die Götter aus dem Meer auszuspucken und ihr geradewegs vor die

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