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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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aufstellen. Das weißt du. Cunomar wird nach Camulodunum reisen, und er wird seine Sache gut machen. Außerdem besitzen wir Wege und Möglichkeiten, um Eisen und einen Schmied ausfindig zu machen, und ich helfe dir dabei. Aber für den Augenblick haben wir erst einmal dies, ein Geschenk der Götter. Und das dürfen wir nicht verschwenden.« Airmid küsste Breacas Stirn, ihre Schläfen, ihre Augenlider - langsam und Schwindel erregend zärtlich und mit einem anderen Hunger als dem der Nacht.
    Der letzte Kuss landete sorgsam platziert in der kleinen Grube an Breacas Hals, wo zwischen den beiden Enden des Torques noch ein wenig Platz blieb. »Ganz gleich, was passiert, ich werde dich immer lieben. Können wir das für heute, für diesen einen Augenblick, genug sein lassen?«

XXVIII
     
    »Ich bringe Geschenke. Geschenke für die Armee der Bodicea. Lasst mich ein!«
    Das Gehämmer gegen das Eingangstor zur Siedlung klang zum Verwechseln ähnlich wie das Hämmern in der Schmiede, und es war reiner Zufall, dass Graine in genau diesem Moment an dem Guckloch vorbeikam und die draußen vor dem Tor wartende Gestalt erblickte, die sich als Schattenriss gegen die weiß verschneite Landschaft abzeichnete. Graine zerrte den schweren Türriegel aus Eichenholz zurück und trat ein paar Schritte zur Seite, um Platz zu machen, als eine stämmige, grauhaarige Frau ein Gespann von fünf kräftigen Zugpferden durch die Tore lenkte. Am Ende ihrer Reise angekommen, blieben die Tiere dampfend und mit vor Erschöpfung zitternden Knien im Schneegestöber stehen. Der Karren, den sie gezogen hatten, rollte noch eine Handbreit vorwärts und versank dann bis zu seinen Achsen in einem Erdboden, der keineswegs übermäßig weich war.
    »Danke. Ich dachte schon, die Eceni hätten in ihrem Bestreben, sich von Rom zu befreien, auch gleich sämtliche Gesetze der Gastfreundschaft mit über Bord geworfen.«
    Die kräftig gebaute Fuhrfrau ließ ihrer Bemerkung ein anzügliches Grinsen folgen und setzte sich wieder, wobei sie das Gesicht zu einer unschönen Grimasse verzerrte und sichtlich schwankte. Als sie einen Moment später ihrem Leitpferd die Zügel über den Kopf warf und von ihrem Karren hinuntersprang, landete sie auf wackligen, unsicheren Füßen.
    Graine hatte schon lange niemanden mehr betrunken draußen herumlaufen sehen, schon seit jenem Winter nicht mehr, der für Tagos der schlimmste seines ganzen Lebens gewesen war. Im Übrigen enthielten die Gesetze der Gastfreundschaft keine Bestimmung darüber, wie man sich einer Betrunkenen gegenüber zu verhalten hatte, die ihre Pferde in die Siedlung trieb.
    Graine kaute ratlos auf ihrer Unterlippe herum, blickte für einen Moment auf den Boden und dann zur Schmiede hinüber, aber ihre Mutter hämmerte gerade Schwertklingen. Und überhaupt war sie viel zu beschäftigt, um mit dem doch eher untergeordneten Problem in Gestalt eines alkoholisierten Gasts behelligt zu werden; bis zum Frühjahr und der Versammlung des Kriegsheeres waren es nur noch zwei Monate, und sie hatten nur einen begrenzten Vorrat an Eisen, um die benötigten Klingen daraus zu schmieden. Überdies war die Bodicea die einzige Schmiedin in der ganzen Siedlung. Es bedurfte also schon eines wirklich triftigen Grundes - wie zum Beispiel des Anblicks einer kompletten Legion, die gerade den Karrenpfad heraufmarschiert kam -, um sie bei der Arbeit zu stören; sie aus irgendeinem geringeren Anlass aus der Schmiede zu rufen, war völlig ausgeschlossen.
    Folglich musste das anstehende Problem anders gelöst werden. Als Graine sich wieder der Frau zuwandte, bemerkte sie, dass diese allerdings weder nach Ale roch noch nach Wein, sondern vielmehr nach nasser Wolle und nassem Leder sowie nach erschöpften, schwitzenden Pferden. Die Fremde lehnte sich Halt suchend gegen ihren Karren und hielt sich mit ihrer linken Hand daran fest. Ihre rechte Hand, Schulter und Hüfte waren allesamt auffallend krumm, als ob die Knochen irgendwann einmal gebrochen gewesen und die Brüche später nur schlecht gerichtet worden wären, so dass sie schief zusammengewachsen waren. Ihr Haar war noch nicht vollkommen ergraut; noch immer zeigten sich Strähnen, die von einem ebenso satten Rot waren wie das Haar der Bodicea.
    Ohne die fratzenartige Miene, die sie so aussehen ließ, als ob sie ständig höhnisch grinste, wäre ihr Gesicht durchaus hübsch zu nennen gewesen. An der Schulter ihres Umhangs, halb verborgen zwischen den Falten aus durchnässter Wolle, steckte

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