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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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trat an die Anrichte und fummelte eine Scheibe
Brot aus der Tüte und begann, sie mit Frischkäse zu bestreichen.
    »I wüsst scho gern, was du geträumt hast«, sagte sie.
    Johanna sah sie nachdenklich an. »Nix Schöns«, sagte
sie dann.
    Danni biss in ihr Brot. Es hinterließ einen dünnen
weißen Bart auf ihrer Oberlippe.
    »Träumst denn überhaupt was Schönes?«, fragte sie
dann.
    »Red ned mit da volln Goschn«, sagte Johanna,
schärfer, als sie eigentlich wollte. »Ja.« Sie sprach sanfter weiter. »Manchmal
träum i a was Schöns. Wenn a Kind zur Welt kommt, zum Beispiel.«
    »Und diesmal? Was war’s da?«
    »Geh, lass der Großmama ihr Ruh«, sagte Severin.
    Danni zog eine beleidigte Schnute und ging mit ihrem
Brot in der Hand aus der Küche.
    Severin sah ihr nach, bis sie die Stiegenstufen unter
ihren Tritten knarren hörten.
    »Gar nix tun geht doch a ned«, sagte er dann.
    * * *
    Burgl stand tatsächlich am Herd, als Schwemmer das
Haus betrat, und das Lächeln, das sie ihm schenkte, wirkte ziemlich
schmerzfrei. Ohne den Mantel abzulegen ging er in die Küche und küsste sie auf
den Mund.
    »Freut mich, Sie aufrecht zu sehen, Frau Schwemmer«,
sagte er lächelnd.
    »Frag mich mal, wie mich das freut.«
    Auf dem Ceranfeld stand ein großer Topf, die Platte so
heiß, dass das Wasser knapp siedete, wie Schwemmer mit einem routinierten Blick
auf den Einstellknopf feststellte. Der Duft, der darüber hing, war verführerisch.
Im Backofen entdeckte er vorgewärmte Teller.
    »Gibt’s was zu feiern?«, fragte er.
    Burgl arbeitete an einem kleinen, hohen Topf auf der
anderen Flamme.
    »Das Ende der Hexe«, sagte Burgl und zwinkerte ihm zu.
    Schwemmer versuchte, anhand der herumstehenden Zutaten
auf das Hauptgericht zu schließen, er entdeckte Puderzucker, Weißwein, Reste
eines Estragonbüschels und Senf.
    Er gab auf, aber als er versuchte, den Topfdeckel zu
lüften, drohte sie ihm mit dem Schneebesen.
    »Weißwein ist im Kühlschrank«, kommandierte Burgl und
scheuchte ihn vom Herd weg, ohne ihn aufzuklären, was er gleich zu essen
bekommen würde. Er musste sich mit einem knappen »Ist gleich so weit«
zufriedengeben.
    Gehorsam öffnete er die Flasche italienischen
Chardonnay und brachte sie samt Kühler und Gläsern zum Esstisch, der schon mit
Besteck und Stoffservietten eingedeckt war.
    Er setzte sich, schenkte Wein ein, und nach einigen
Minuten kam Burgl mit zwei Tellern auf einem Tablett herein. Es gab Kalbszunge
in Estragonsauce.
    Sie stellte die Teller auf den Tisch und warf ihm
einen warnenden Blick zu, den er genau verstand. Er bedeutete, dass Schwemmer
sich seinen Lieblingskalauer zum Thema Zunge (»Was andere schon im Mund gehabt
haben? Da ess ich lieber ‘n Ei.«) verkneifen musste. Ein Blick auf den Teller
vor ihm ließ es ihn verschmerzen.
    Sie stießen an.
    »Hätte ich nicht geglaubt, gestern Morgen«, sagte er,
»dass du heut schon wieder kochen kannst.«
    »Ich auch nicht.«
    Er nahm den ersten Bissen von dem zarten Fleisch und
schenkte seiner Frau einen verliebten Blick, den sie lächelnd erwiderte. Sie
aßen, eine Weile schweigend, und genossen die gemeinsame gute Laune, die
allerdings so abrupt wie heftig ins Schwanken geriet, als das Telefon zu läuten
begann.
    Burgl sah ihn drohend von unten her an. »Wag es nicht«,
sagte sie. »Oder die Hexe soll dich holen.«
    Er hob in einer beschwichtigenden Geste sein Besteck
und aß dann weiter, geduldig darauf wartend, dass der Anrufbeantworter
ansprang.
    Aber als der dann mit einem Piepton ansprang, um seine
Aufgabe zu erfüllen, war klar, dass ihr Festmahl zu Ende war.
    »Herr Kommissar«, sagte die Stimme Johanna Kindels. »I
muass mit Eane redn. ‘s pressiert arg! Rufns mi an, heut noch, bittschön.«
    Schwemmer ließ sein Besteck sinken. Burgl schob die
gespitzten Lippen hin und her. Der Anruf war natürlich dienstlich, aber da er
von der Hexenschussheilerin kam, war er anders zu beurteilen, als sie das sonst
wohl getan hätte.
    »Darf ich noch aufessen?«, fragte Schwemmer, und sie
wiegte den Kopf.
    »Na schön«, sagte sie dann, und sie aßen weiter, aber
natürlich war an hingebungsvolles Genießen nicht mehr zu denken.
    »Was könnte sie wollen?«, fragte Burgl denn auch schon
zwei Bissen später, den Mund noch halb voll.
    Schwemmer nahm einen Schluck Wein.
    »Wenn es das ist, was ich fürchte«, murmelte er dann,
»war es das wohl mit dem Feierabend …«
    * * *
    Immerhin hatte es geregnet, sodass er auf der
ungeteerten Straße

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