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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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diesmal kaum Staub aufwirbelte. Johanna Kindel erwartete ihn
neben ihrem Kleinwagen stehend, als Schwemmer auf dem Parkplatz des
Schäferhundevereins anhielt und den Motor ausstellte. Außer ihren waren keine
weiteren Wagen dort abgestellt, im Clubhaus war heute wohl keine Veranstaltung,
was Schwemmers Bemühen um Diskretion sehr entgegenkam. Die Dämmerung fiel
herein, es wurde zusehends dunkel.
    Johanna Kindel kam auf ihn zu, als er ausstieg. Sie
sagte nichts, sah ihn nur an in einer Mischung aus Ratlosigkeit, Angst und
Entschlossenheit.
    Sie hatte sich geweigert, ihm am Telefon mehr zu sagen,
aber spätestens, als sie ihn zu diesen Treffpunkt dirigiert hatte, war klar
gewesen, um was es ihr ging.
    Heute würde es passieren.
    »Also heute«, sagte er, und Johanna Kindel nickte.
    »Und woher wissen Sie das?«
    Sie steckte die Hände in die Tasche ihrer Anorakjacke
und sah an ihm vorbei.
    »I woaß es halt.«
    Sie sah ihm weiter nicht in die Augen.
    »Na schön«, sagte Schwemmer. »Ich sage Ihnen, was ich
machen werde: Ich fahre jetzt da hoch und stell meinen Wagen auf den Holzplatz,
den Sie mir gezeigt haben. Dann wird nichts passieren.«
    »I fahr mit Eane.«
    »Nein, das tun Sie nicht. Sie fahren jetzt nach Hause
und tun, was immer Sie gewöhnlich tun um diese Zeit. Ich werde Sie anrufen.«
    Immer noch sah sie ihm nicht in die Augen, aber sie
nickte und ging wortlos zu ihrem Wagen. Als sie davongefahren war, stieg auch
Schwemmer ein und fuhr den Berg hinauf.
    In der Kehre am Brunnenhaus leuchtete ein Grablicht an
dem kleinen Gedenkstein, das war bis auf Weiteres die letzte Lichtquelle, die
er an seinem Weg finden würde. Hier im Wald war es bereits stockdunkel, auch
wenn der Himmel zwischen den Baumwipfeln über ihm noch von purpur-blauen
Streifen durchzogen war.
    Er erreichte den Platz, bog ein und hielt in der Mitte
der Schotterfläche. Er schaltete den Motor aus und stieg aus.
    Lauschend stand er jetzt neben seinem Wagen. Es war
totenstill im Wald um ihn herum. Er zog die Stablampe aus der Manteltasche und
leuchtete in Richtung des Baumes, hinter dem Johanna Kindel den Mörder gesehen
hatte.
    Plötzlich hörte er ein lautes Rascheln hinter sich. Er
fuhr herum. Er wechselte die Lampe in die Linke und zog seine Walther aus dem
Schulterholster. Aber im Schein der Lampe war nichts zu entdecken. Es war wohl
irgendein Tier, das er aufgeschreckt hatte.
    »Herrschaftszeiten«, murmelte Schwemmer und steckte
mit einem Kopfschütteln die gesicherte Waffe wieder in das Holster.
    Er war extra noch mal zur Inspektion gefahren, um sie
dort abzuholen. Die fragenden Blicke der wachhabenden Kollegen hatte er mit
einem fröhlichen »Was vergessen« beantwortet und dabei auf eine Aktenmappe
gewiesen, die er zur Tarnung mit aus seinem Büro genommen hatte. Das Gerücht,
der EKHK benötige nach Feierabend
seine Waffe, wollte er sich ersparen.
    Es war absolut nichts zu sehen oder zu hören, was auf
die Anwesenheit eines Menschen schließen ließ. Er überquerte den Weg und besah
sich die Mulde, in der laut Kindel Oliver Speck versteckt sein würde. Auch hier
war rein gar nichts zu entdecken.
    Das hier ist völliger Blödsinn, dachte er. Entweder du
glaubst dran, dann musst du einen richtigen Einsatz draus machen. Oder du
glaubst nicht dran. Dann solltest du zu Hause Chardonnay trinken.
    Aber gerade Burgls Blick war es ja gewesen, der ihn
hergetrieben hatte. Dieser »Am Ende kann man kann nie wissen«-Blick. Burgl wäre
mindestens so gerne mitgekommen wie die Kindel. Aber er hatte es ihr genauso
entschieden untersagt.
    Schwemmer stieg wieder in den Wagen und öffnete halb
das Fenster. Es war empfindlich kühl, aber er wollte hören, falls sich etwas
näherte.
    Langsam gewöhnten sich seine Ohren an die Stille um
ihn herum, und so wie man in der Dunkelheit mit der Zeit besser sah, konnte er
nach und nach Geräusche in weiter Entfernung ausmachen. Motoren meist, unten in
Burgrain. Den Zug nach Murnau. Unter ihm auf den Reschbergwiesen hörte er
Kuhglocken.
    Die Zeit verging zäh. Warten gehörte nun mal zum Job.
Aber es war nie seine Stärke gewesen. Und es war obendrein noch mal ein
Unterschied, ob man in einem bewohnten Ort, in einer beleuchteten Straße
wartete oder, wie er jetzt, im stockfinsteren Wald. Er sah auf die
Leuchtziffern seiner Armbanduhr. Keine neun.
    Wenn ich Pech hab, muss ich die halbe Nacht warten,
dachte er. Und wäre es nicht sogar Glück, wenn er die ganze Nacht warten
musste? Wenn eben nichts passierte, hier

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