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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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Dr. Friedrichs war der Mann aufgefallen. Er ging
entschiedenen Schrittes auf ihn zu, offenbar um ihn des Hofes zu verweisen.
    »Pass mal auf, was jetzt passiert«, sagte Silvie.
    Friedrichs sagte einen Satz zu dem Mann, und Sekunden
später hatte der ihn in ein Gespräch verwickelt. Friedrichs’ heftige Gesten
wirkten, als kämpfe er gegen ein unsichtbares Spinnennetz, in dem er sich
verfangen hatte. Der Mann blieb unverrückt stehen und stellte Fragen.
    »Ein verdammter, abgefuckter Profi«, sagte Silvie.
»Und dann immer dieser Hut. Dabei ist der gar kein Bayer. Der stammt aus
Hessen.«
    »Woher kennst den eigentlich so gnau?«, fragte
Severin.
    »Ist mein Vater«, sagte Silvie.
    * * *
    Es war weit nach Mittag, als Schwemmer sich zutraute,
das Bett zu verlassen. Der bohrende Kopfschmerz war einem matten Druck
gewichen, was ein eindeutiger Fortschritt war.
    Er schleppte sich ins Bad und duschte heiß, was zwar
seinen optischen und olfaktorischen, nicht aber seinen körperlichen
Gesamtzustand verbesserte. Den Versuch, sich die Zähne zu putzen, brach er ab,
weil sofort der Würgereiz wieder einsetzte.
    Er zog sich den Bademantel an und ging hinunter,
weniger weil ein Bedürfnis vorlag, als um sich zu beweisen, dass er es konnte.
    Auf der Treppe hörte er Stimmen durch die geschlossene
Wohnzimmertür. Burgl lachte herzlich, was ihm einen leichten Stich versetzte.
Dann sprach ein Mann in einem satten Bariton, und Burgl lachte erneut.
Schwemmer blieb unentschlossen in der Diele stehen, dann entschied er sich, in
die Küche zu gehen und einen Kamillentee aufzugießen.
    Er hatte gerade den Wasserkocher angeschaltet und war nun
auf der Suche nach den Teebeuteln, als die Wohnzimmertür aufging und
Hauptkommissar Bredemaier herauskam.
    »Direkt neben der Haustür«, hörte er Burgl rufen.
    Bredemaier ging auf das Gäste- WC zu, aber aus den Augenwinkeln musste er Schwemmer hinter
der offenen Küchentür entdeckt haben. Er wollte wohl gerade freudig auf ihn
zukommen, aber ein einziger Blick Schwemmers reichte, die Bewegung schon im
Ansatz zu stoppen.
    »Ich hoffe, es geht Ihnen besser«, sagte er
zurückhaltend.
    »Besser ja. Aber nicht gut«, sagte Schwemmer.
    »Ich wünsche Ihnen eine rasche Genesung«, sagte
Bredemaier. »Sie werden vermisst.«
    Schwemmer antwortete mit einer Grimasse, die ein
spöttisches Grinsen hatte werden sollen, und Bredemaier verschwand auf dem Klo.
    Als der Schlüssel sich im Schloss gedreht hatte,
schaltete Schwemmer den Wasserkocher wieder aus. Er wollte außer Sicht sein,
wenn der Mann wieder zum Vorschein kam. Auf dem Weg zur Treppe wurde er
allerdings von Burgl bemerkt, die sofort aus dem Wohnzimmer kam.
    »Heh, da bist du ja«, sagte sie sanft. »Geht’s was
besser?«
    »Muss«, sagte er. »Ich leg mich wieder hin. Hast du
Besuch?«
    »Nein«, sagte sie. » Du hast Besuch.«
    »Oh …« Er wandte sich der Treppe zu und machte sich an
ihre Ersteigung.
    »Brauchst du was?«
    »Einen Tee … frische Bettwäsche vielleicht. Und Ruhe.«
    »Ich schmeiß ihn raus und komm dann hoch«, sagte sie
leise mit einem Lächeln.
    Schwemmer schleppte sich wieder ins Bett. Keine fünf
Minuten später kam Burgl mit Tee und bezog sein Bett frisch, während er auf
ihrem hockte und fror.
    »Was wollte dieser Mensch?«, fragte er.
    »Einen Krankenbesuch machen.«
    »Wie kommt der auf so was? Man macht doch keinen
Krankenbesuch bei fremden Menschen, schon gar nicht, ohne sich vorher
anzumelden.«
    »Er hat sich angemeldet.« Burgl strich das Laken glatt
und zog dann das Kopfkissen ab.
    »Was?«
    »Er hat vorher angerufen. Und als ich mit ihm sprach,
ist mir eingefallen, woher ich den Namen kannte. Er ist Spezialist für
forensische Psychologie, allerdings als Praktiker. Ich hab ihn vor Jahren mal
auf einem Kongress getroffen. Muss in den frühen Neunzigern gewesen sein.«
    »Und deshalb lädst du ihn ein? Ich dachte, er wollte
zu mir.«
    »Wollte er auch. Ich hab gesagt, dass es dir was
besser ginge und dass er es einfach mal versuchen solle.«
    Sie warf das frisch bezogene Kissen auf seinen Platz
und nahm sich das Federbett vor.
    »Und auf die Art habe ich erfahren, was er hier will,
was er vorhat und was er schon getan hat. Ich habe dir Arbeit abgenommen. Denn
das wolltest du doch wissen, oder?«
    »Kann schon sein«, murmelte Schwemmer, zu schwach, um
das zu diskutieren. Ungeduldig wartete er darauf, endlich wieder unter das
Federbett kriechen zu können. Er trank von dem Kamillentee und rieb sich

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