Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
Vom Netzwerk:
seinen Körper laufen. Er entließ den Kammerdiener mit einem Fingerschnippen, ehe er sich umdrehte. Statt ihrer Tunika trug sie die Robe einer adligen Aztlantu: einen mehrlagigen Rock unter einer engen Jacke, die Schulter und Arme bedeckte und sich um ihre Taille schmiegte, wobei die weißen Brüste mit den
    geschminkten Brustwarzen frei blieben.
    Aus dem Gang hörte er das leise Winseln ihrer Hunde. Könnte er doch nur ihr Hund sein! »Irmentis.« Er räusperte sich. »Sei willkommen, Schwester. Meine Dankbarkeit, dass du gekommen bist.«
    »Du weißt, dass ich den Hof hasse, doch um nichts in der Welt würde ich deine Zeremonie des Werdenden Goldenen verpassen wollen. Wie fühlst du dich?« Die Frage war höflich gestellt, doch ihre Augen schienen in sein Innerstes zu blicken, und ihm war bewusst, dass sie die Einzige war, der wirklich etwas an seinem Befinden lag.
    »Ich bin nervös«, antwortete Phoebus und verschränkte die Arme, um sie nicht nach ihr auszustrecken.
    »Es ist ein eigenartiges Gefühl, dass ich in diesen vierundzwanzig Dekanen Entscheidungen fällen werde, welche die Erde erschüttern und die einen anderen Menschen aus mir schmieden werden.«
    »Dein Leben wird dir nicht länger gehören. Du wirst Aztlan gehören.«
    Nur dir will ich gehören, dachte er. »Das stimmt. Die Tage, in denen ich mich frei unter die Sippenbrüder mischen konnte, sind vorüber.« Phoebus spannte den Kiefer an.
    Irmentis trat ans Fenster, blickte hinaus und sah dann auf seinen Ankleidetisch. »Ich kann nicht während der ganzen Zeremonie bleiben«, sagte sie. »Die Sonne, du verstehst.«
    »Durchaus. Auch Nekros hat sich entschuldigen lassen.«
    Sie standen verlegen schweigend da, und Phoebus hätte am liebsten geheult. Bis vor kurzem hatte es nie Spannungen oder Verlegenheit zwischen ihnen gegeben. Er ging an eine geflochtene Truhe und holte ein Alabasterfläschchen heraus, das er für sie abgefüllt hatte. Daneben lag ein eingewickeltes Päckchen, das er Irmentis ebenfalls reichte.
    Sie riss die Verpackung von der Honigwabe, und er verfolgte, wie sie mit zitternden Händen etwas von der halbdurchsich-tigen grünen Flüssigkeit darüber goss. Als wäre es die allerfeinste Delikatesse, biss sie in die Honigwabe - sodass sich in ihrem Mund und ihren Adern der Honig mit dem Wermut mischte. In süßester Pein verfolgte Phoebus, wie sie ihre Finger abschleckte und den Honig von den Nägeln lutschte.
    »Ich muss dir etwas sagen«, begann er, ohne den Blick abwenden zu können.
    »Ja?«
    »Ileana hat das Rennen gewonnen.«
    Irmentis erstarrte einen Moment und fuhr gleich darauf fort, ihre Hände sauber zu lecken. »Nichts anderes haben wir erwartet.«
    »Du könntest jederzeit im Wettlauf gegen sie antreten, Irmentis. Nur du kannst sie schlagen. Wir könnten zusammen sein.« Die Worte kamen in einem Schwall. Sie stand absolut reglos vor ihm, ohne ihn anzusehen. Das Fläschchen und die Honigwabe lagen vor ihr. Sie hatte fast die Hälfte davon verschlungen. Hatte Niko Recht, wurde sie tatsächlich davon abhängig? Er trat einen Schritt vor.
    »Irmentis, meine Schwester, wir können heiraten. Du kannst Kela-Ileana mit Leichtigkeit schlagen. Alle unsere Träume könnten sich erfüllen! Das Rennen findet nicht einmal bei Tageslicht statt.« Er sah sie für einen winzigen Moment lächeln; doch seinen Blick wollte sie nicht erwidern. Behutsam, als würde er sich einem Rehkitz nähern, trat er zu ihr. Er zog ihr Kinn nach oben.
    »Genau das haben wir uns immer gewünscht, Irmentis, meine Schwester, meine Liebe. Wir können zusammen bleiben! Wir können unser Blut vermischen .«
    Mit einem Ruck befreite sie ihr Kinn aus seinem Griff. »Ich bin gekommen, um dir mitzuteilen, dass ich weggehen werde, Phoebus.«
    »Was?«
    »Es gibt da eine kleine Insel vor Nios. Pateeras hat mich damit beschenkt, und dort werde ich hingehen. Sie ist bewaldet, und ich habe meine Nymphen zur Gesellschaft .«
    Phoebus schüttelte sie erbost, ohne auf das warnende Knurren zu achten, das er von ihren Hunden hörte. »Du gehst weg? Ich habe dir meine Krone und mein Bett angeboten! Und du sagst mir, du gehst fort?«
    »Ich kann dich nicht heiraten, Phoebus. Das habe ich dir so viele Male erklärt, wie Sterne am Himmel stehen. Träume sind eben Träume.«
    »Du meinst, du wirst mich nicht heiraten.« Phoebus ließ die Hände sinken. Er hörte sie mit den Fingern schnippen, und die Hunde setzten sich, ohne ihn aus den Augen zu lassen, doch ruhig. Sie rührte sich

Weitere Kostenlose Bücher