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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Anlieferungs-Eingang auf der Rückseite des Baus folgten. Weiß gekalkte Steinplatten lagen für Gelegenheiten wie diese aufgereiht im Hof. Die Priester legten den halb Toten ab, und User schickte sie fort, ehe er an die Tür klopfte.
    Ein Schreiber, dessen massiger Leib die ganze Tür ausfüllte, öffnete ihm. User war ihm schon früher begegnet; er war ein Idiot. Wie war es möglich, dass dieser Schreiber auch nach drei Jahren der Hungersnot noch so aussah, als speiste er jeden Abend am Tische Pharaos, ewig möge er leben?
    »Ich muss einen Körper vorbereiten lassen«, kündigte User mit einem verbindlichen Lächeln an.
    »Ist er tot?«
    »Haii, nun, er liegt im Sterben.«
    Der Schreiber blickte auf. »Nein, Herr. Wir nehmen nur die Toten.«
    »Er stirbt bereits. Schnell.«
    »Noch nicht tot? Kein Einlass.«
    »Ich bin der oberste Arzt im Haus des Lebens! Ich versichere dir, morgen beim Atmu ist dieser Mann tot!«
    »Es tut mir Leid, Herr, aber nur die Toten dürfen hier eintreten.«
    User-Amun seufzte. Wie unflexibel dieser Idiot doch war. »Sieh ihn dir an! Er liegt im Todesschlaf, seine Glieder sind zerschmettert, seine Knochen wahrscheinlich zersplittert. Er blutet innerlich, siehst du die Flecken? Man kann nichts mehr für ihn tun. Ich verspreche dir, er wird noch heute Nacht sterben!«
    »Nur die Toten, Herr!« Der Priester trat zurück, als wollte er die Tür zuschlagen, doch User schob geschwind den Fuß in den Türspalt.
    »Hör zu, mein Bruder in Amun, ich habe zu tun. Ich habe weder Zeit noch Lust, ihn in meine Praxis bringen zu lassen, ihn dort sterben zu lassen und seine leblose Hülle dann wieder hierher zu schleifen! Hast du mich verstanden?«
    »Ich befolge nur meine Befehle, Herr. Ich kann dir nicht helfen. Nur die Toten.«
    User-Amun biss die Zähne zusammen. Er spürte die starke Versuchung, dem komatösen Patienten eines überzuziehen und die Angelegenheit damit endgültig zu klären. Nur das Bekenntnis im Gebet der Toten: »Ich habe keinem Menschen das Leben oder das Ziel seines Lebens genommen«, hielt ihn davon ab. »Bei der Feder der Ma’at«, fluchte er. »Er wird sterben! Ich will ihn hier lassen!«
    Ausgerechnet in diesem Augenblick begann das Opfer zu murmeln und wild um sich zu schlagen.
    »Wer wird sterben?«, fragte eine wohlklingende, kultivierte Stimme hinter User. Er sah, wie dieser verblödete Schreiber die
    Augen aufriss und zu einer schlampigen Verbeugung ansetzte. Als User sich umdrehte, sackte ihm das Herz in die Hose. Plötzlich wurde ihm klar, dass er an diesem Morgen besser zu Hause geblieben wäre. Die Götter waren ihm nicht gewogen.
    Imhotep. Leibarzt des Pharao und Nachkomme des brillanten Architekten der Pyramiden. Edelsteine groß wie Vogeleier funkelten an der Kehle des Mannes, an seinen Handgelenken, seinen Fingern. Er war groß und unaussprechlich hässlich, mit der Art verzerrten Gesichtszügen, dass sie wie eine Maske wirkten. Seine Zähne waren nur noch verfaulte Stümpfe, die in seinem Mund herumrasselten und ihm den Atem eines Krokodils verliehen, doch seine grauen Augen lächelten. Sein Blick schweifte von Users hastiger Verbeugung ab zu dem halb verhüllten Körper des unbekannten Opfers. »Ist das der Mann, der deiner Überzeugung nach sterben wird?« Er wies mit der Hand darauf.
    Bei Sobeks Schwanz, dachte User, meine Tage als Arzt sind gezählt. »Jawohl, Herr. In Zeiten wie diesen müssen wir uns auf den Willen der Götter verlassen, einige unter uns zu sich zu nehmen.«
    Imhotep hob ein Lid des Mannes an und prüfte dann den Schlag seines Herzens. »Geschickte Arbeit an seiner Hand«, befand Imhotep. »Es ist gut, wenn ein Mann mit zwei brauchbaren Händen in die Nachwelt eintritt.«
    »Jawohl, Herr.« User atmete heimlich auf. Über Imhoteps Rücken hinweg warf er dem inkompetenten Schreiber in der Tür einen zornigen Blick zu. Vielleicht würde der Mann jetzt endlich einlenken? »Seine Verletzungen sind größtenteils innerlich und außerordentlich schwer.« User schüttelte mitleidig den Kopf. »Er sieht kräftig aus, doch vielleicht wollte Isis ihn unbedingt bei sich haben.«
    Imhotep betrachtete den Ring des Mannes.
    »Hast du so etwas schon einmal gesehen?«, fragte er. »Ist der Mann ein Schreiber?«
    »Ich weiß es nicht, Herr.« User deutete auf das schwarze Haar, das am Schädel des zukünftigen Leichnams klebte. »Man hat ihn in Apis’ Arena gefunden, doch mit diesem Haar ist er bestimmt kein Priester.«
    Imhoteps Blick tastete Beine und

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