Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
Vom Netzwerk:
versteckte Lösung ans Licht zu bringen.
    Phoebus betrat den abgedunkelten Raum seines Mentors. Der
    Alte war nirgendwo zu sehen, also trat Phoebus an eine aufgemalte Tür, drückte in der korrekten Abfolge die hinter einem Paneel verborgenen Riegel und wartete, bis sie aufschwang. Spiralenmeister war in seinem Laboratorium.
    Dämpfe von Alcbem wehten die Stufen herauf und brannten sich in Phoebus’ Augen und Kehle. Behutsam setzte er in der fast vollkommenen Dunkelheit einen Fuß vor den anderen. Die Stufen waren glatt getreten, und er war schon öfter gestürzt, weil seine Ledersandalen unter ihm weggerutscht waren. In einem würdelosen Haufen vor Imhoteps Tür zu landen, war kein besonders erbaulicher Tagesbeginn gewesen. Phoebus hielt sich am Geländer fest.
    Im Gegensatz zu den geräumigen, rechteckigen Treppenhäusern draußen war dies hier eine Wendeltreppe. Seinem Titel entsprechend war Spiralenmeister ein Meister jedes Werkzeugs, in jeder Technik, Fertigkeit und Disziplin, die je an der Skolomantie ausgeübt wurde. Seine Künste waren verwunden, komplex und abgründig wie das Innere eines Schneckenhauses.
    Phoebus blieb vor der Tür stehen und rückte sein Gewand zurecht. Noch dazu war Spiralenmeister ausgesprochen pingelig.
    »Tritt ein, Aufsteigender!«, rief Spiralenmeister. »Wie ich es verabscheue, wenn du so unentschlossen bist! Wir haben zu tun!«
    Phoebus stieß die Tür auf, und der Spiralenmeister drehte sich zu ihm um. Obwohl er in Hreesos’ und Aztlans Diensten stand, stammte der Spiralenmeister aus Ägypten. Der Legende zufolge war sein Urahn, der erste große Imhotep, in einer turbulenten Zeit für Aztlan geboren worden. Er hatte Aztlans Al-chem-Geheimnisse gestohlen und sich damit am Hofe Pharao Khufus eingeschmeichelt.
    Seither wurden die Pyramiden Imhoteps I. als Ägyptische Pyramiden bezeichnet. Imhotep war in Ägypten geblieben und hatte dort eine Familie mit vielen weiteren Imhoteps gegründet. Über Generationen hinweg hatten diese Magier wechselweise am ägyptischen und am aztlantischen Hof gedient. Der jetzige Spiralenmeister lebte hier, sein ältester Sohn in Ägypten und ein weiterer in Hattai. Der aztlantische Imhotep und sein ältester Sohn hassten einander.
    Spiralenmeister war vom Alter gebeugt, doch immer noch sehr, sehr groß. Obwohl er inzwischen seit so vielen Jahren in diesem Laboratorium tief unter der Skolomantie arbeitete, war seine Haut rötlich und dunkel geblieben. Kunstvolle Tätowierungen zogen sich über seinen kahl geschorenen Schädel bis in den Nacken hinab. Seine enormen Ohrläppchen waren mit Ohrringen beschwert, aus denen unbekannte, ungeschliffene Steine weißes und blaues Feuer schießen ließen. Lange, grellbunt gemusterte Stoffbahnen wanden sich über seine schmalen Schultern, dann um seine Taille und schleiften mit den fransigen Enden über die Sandalen.
    In letzter Zeit sah er noch hagerer als sonst aus, fand Phoebus.
    Das Siegel der Sippe der Spirale, deren Oberhaupt er war, baumelte über seiner runzligen Brust. Weitere Siegel schaukelten neben Phiolen und Papyrusrollen an einer Kordel um seine dürre Taille.
    Phoebus grüßte ihn ergeben. Niemand wusste, wie alt der Spiralenmeister war, doch das Feuer in seinen Augen verriet ihn als Geistesverwandten jedes jungen Träumers, der durch die Tür hereinspaziert kam. Imhotep strauchelte im Umdrehen, und Phoebus sah eine Phiole zu Boden fallen und zerplatzen. Der Spiralenmeister ignorierte den Vorfall.
    Hoheitsvoll lehnte sich der Spiralenmeister gegen den breiten Tisch, mit offenbar gezerrter Schulter, die Füße von Glasscherben umgeben. Phoebus war bemüht, sich seine Gefühle nicht anmerken zu lassen.
    »Hast du genug geübt?«
    »Ja, Meister.«
    »Du weißt, dass ich dich nichts mehr lehren kann.
    Von nun an musst du dich auf dein angeborenes Wissen verlassen, andernfalls bist du wahrhaftig nicht zum Herrschen geschaffen.«
    Phoebus spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss.
    »Ich bin bereit.«
    »Kennst du die Formeln?«
    Phoebus senkte kurz den Blick. Ein falscher Schritt, und er würde sterben. »Ich bin bereit«, wiederholte er.
    Spiralenmeister blickte in Phoebus’ Augen. Der Ältere wandte sich ab. »Dann lass uns darüber sprechen, was nach dem Ritual geschehen wird.«
    »Sehr wohl«, sagte Phoebus und bezog neben einem der langen Tische Position. »Sag mir, was wird geschehen?«
    Spiralenmeister wandte sich ab und konnte sich eben noch zurückhalten, bevor er auf der zerplatzten Phiole

Weitere Kostenlose Bücher