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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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ebenfalls nicht sehen?«
    »Doch, Meine Majestät, aber du weißt gut, dass die Augen das Fenster zum Ka sind. Also sind wir stets darauf bedacht, die Augen des Patienten geschlossen zu halten. Wenn er so weit gesundet ist, dass wir den Verband fortlassen können, werde ich ihre Farbe prüfen.«
    Pharao winkte den Schreiber herbei. »Ich werde für ihn zu Thoth und Hathor beten.«
    Imhotep marschierte ungeduldig auf und ab. Der Mann war weder tot noch lebendig. Vielleicht würde er die Wette gegen diesen uralten Arzt aus Noph doch noch verlieren! Der Patient lag da wie ein Leichnam, und Imhotep hatte immer noch nicht in seine Augen sehen können, um die Farbe festzustellen. Würde der Geist des Patienten ausfliegen, wenn Imhotep ihm die Augen aufzwang? Das war im Haus des Lebens verboten. Selbst wenn seine Augen die richtige Farbe hatten, wäre der Mann ohne sein Ka tot und damit ohne jeden Nutzen für Pharao.
    Ein Klopfen kündigte den Wesir an, und Imhotep verbeugte sich automatisch. »Leben, Gesundheit und Wohlergehen.«
    »Danke, mögen deine Götter dir gewogen sein.« Die Worte kamen hastig, weshalb Imhotep unverzüglich die Sklaven fortscheuchte. Ipiankhu trat an die Liege und blickte auf den bandagierten Mann hinab. »Wie geht es ihm?«
    »Er ist taub für alles, was wir sagen«, antwortete Imhotep. »Was hat der Gesandte gesagt?«
    Ipiankhu seufzte und kippte seinen Becher Bier auf einen Satz hinunter. Er hatte heute auf die Perücke verzichtet und stattdessen ein gefaltetes Kopftuch angelegt. Müde kniff er sich die Nasenwurzel und seufzte nochmals. »Der Gesandte Nestor scheint Verständnis dafür zu haben, dass wir keinen Tribut von fünfzig Prozent entrichten können. Nach langem Feilschen war er bereit, sich mit weniger Getreide zufrieden zu geben, doch verlangen die Aztlantu zum Ausgleich Geiseln und doppelt so viele Apis-Stiere.«
    »Geiseln?«
    »Ganz recht, obwohl er natürlich von >Gäste des Guten Willens unserer beiden Reiche< gesprochen hat«, zitierte Ipiankhu verbittert.
    »Rekkit?«
    Der Wesir schnaubte. »Nein. Unsere Besten. Magier und Adlige.«
    »Und wie viele Kur Getreide ist ein Adliger wert?«
    Er lächelte, ein unerwartetes, seltenes Verziehen seiner dik-ken Lippen. »Sieben.«
    »Sieben Kur?«
    »Nein, sieben Geiseln. Drei davon möglichst Kinder.«
    Imhotep erhob sich und stapfte auf den Balkon, von dem aus man die riesige Karkasse des aztlantischen Schiffes dümpeln sah.
    »Wenn wir nun das Schiff und den Gesandten beseitigen könnten, vielleicht würde dann -«
    »Mach dir nichts vor. Sie würden ein Dutzend weitere senden. Nestor schickt jeden Tag seine Vögel los.« Ipiankhu zuckte mit den Achseln. »Wahrscheinlich berichten sie, was er jeden Tag erreicht hat.«
    »Stimmt.« Imhotep seufzte. »Die Aztlantu richten Vögel als Boten ab. Aus allen Ländern erstatten die Spione des Imperiums den Oberhäuptern der Sippen Bericht. In Aztlan kennt man die Gedanken eines Spions bereits wenige Tage, nachdem er sie gefasst hat.«
    »Das grenzt schon an Zauberei«, murmelte Ipiankhu.
    »Also geben wir ihnen die Stiere, das Getreide und die Geiseln?«, fragte Imhotep.
    »Was bleibt uns anderes übrig?«, fragte Ipiankhu zurück. »Obwohl die Stiere recht kränklich sind, fürchte ich.«
    »Wenn die Apis-Stiere Ägyptens Ufer erst verlassen haben, wird man uns ihren Hungertod nicht vorwerfen können«, wandte Imhotep ein.
    »Wenn sie doppelt so viele Stiere verlangen, müssen sie auch ein paar kranke nehmen«, pflichtete Ipiankhu ihm bei. »Die Herden leiden genauso unter der Hungersnot wie die Rekkit.«
    »Wann will der Gesandte wieder abreisen?«, erkundigte sich Imhotep.
    »Er braucht die Stiere möglichst bald in Aztlan. Wenn er gegen Ende der Woche Segel setzt, würde er rechtzeitig heimkommen.«
    Imhotep setzte sich. »Wer geht als Geisel mit?«
    Ipiankhu gesellte sich zu ihm. »Ich werde den Unbekannten bitten, sie mir zu zeigen.«
    Imhotep seufzte müde. »Ich bin in Aztlan geboren«, sann er nach. »Ein schöneres Land und ein fleißigeres Volk kann man sich nicht vorstellen. Gerechtigkeit, Ehre, Disziplin, darauf wurde jeden Tag geachtet.« Er schüttelte den Kopf. »Haii, offenbar hat sich das geändert.«
    »Wirst du deinem Vater Grüße überbringen lassen?«
    Imhotep versteifte sich. Ipiankhu wusste, dass Imhoteps Vater der Große Spiralenmeister Aztlans war, auch wenn der Arzt nie von ihm sprach. Imhoteps Augen wurden schmal. »Ich habe keinen Vater. Nur Söhne.«
    Es war

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