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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Ewigkeit vor. Seine Art, die Stäbe zu werfen, hatte etwas Sinnliches, so langsam und graziös bewegten sich seine langen Finger über die geschnitzten Knochen.
    Sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden, und wandte den Blick ab. Es gab so viele Dinge, über die sie nie sprachen, so viele schmerzhafte Themen, die sie mieden. Sie sah ihn an; er hatte die bernsteingelben Augen gegen Res Licht zusammengekniffen. Schatten meißelten seinen Oberkörper und die Arme heraus, ließen die schweißglänzenden Muskeln hervortreten, betonten den Schnitt von Abdominalmuskel, Deltamuskel, Bizeps. Mindestens fünfzig Menschen waren nur einen Blick entfernt. »Wenn du auf ein Sinnesorgan verzichten müsstest, welches würdest du dir aussuchen?«, fragte sie.
    Cheftu warf die Stäbe; ausnahmsweise hatte er Pech. Chloe hielt den Blick auf das hölzerne Spielbrett gerichtet, nicht auf seine sündigen Hände.
    »Ein Sinnesorgan?«
    »Genau. Sehen, Sprechen, Hören, Riechen, Berühren, Schmecken.«
    »Und du?«
    »Alles außer Sehen. Wenn ich nicht sehen könnte, wie die Farben und Strukturen zwischen dem Blau des Himmels und dem Blau des Meeres voneinander abweichen ...« Sie schaute auf seine Hände und vergaß, was sie sagen wollte. So lange, schöne Hände, so gerade Nägel - männliche, aber keinesfalls grobe Hände. »Ich glaube, wenn ich nicht mehr sehen könnte, würde ich sterben. Meine Welt war immer eine Welt der Farben, der Formen und Perspektiven. Wenn mir das genommen würde, würde damit mein Innerstes getötet.« Chloe warf die Stäbe. Endlich mal ein anständiger Wurf!
    »Auf ein Sinnesorgan zu verzichten, würde bedeuten, dass ich dich auf eine Weise weniger lieben könnte«, sagte Cheftu. Er beugte sich vor und legte seine Hand auf das Leinen über ihrem Schenkel. Wie in einem Traum brachte seine Berührung das Leinen zum Schmelzen, und seine bronzegoldene Hand kam auf ihrem nackten, bebenden Bein zu liegen.
    »Ich könnte nicht mehr deine Lustschreie hören, oder ich wäre nicht mehr in der Lage, deine samtige Haut zu fühlen, oder ich würde den Duft deiner Erregung nicht mehr riechen können . « Plötzlich liebkosten seine Hände sie am ganzen Körper, streichelnd, berührend, neckend. Seine Stimme stahl sich in ihr Ohr und trieb sie zur Verzückung.
    »Oder ich könnte dein Haar, schwarz und glänzend, nicht mehr wie das Laken der Nacht über mir liegen sehen. Oder deine grünen Augen, so voller Leben. Ma belle«, murmelte er.
    Er nahm ihre Hand, während er in der anderen die Wurfstäbe hielt, und führte ihre Finger an seinen Mund. »Den Geschmackssinn zu opfern würde bedeuten, dass mir die Süße deines Körpers -«, er lutschte an einer Fingerspitze -, »für alle Zeit verloren ginge.« Er leckte an einer zweiten. »Die Sprache zu verlieren würde bedeuten, dass ich dir nur noch mit meinem Körper mitteilen könnte -«, er lutschte an der Spitze ihres Ringfingers, so fest, dass es fast stach -, »wie sehr ich dich liebe und mit Leib und Seele verehre.« Er nahm ihren ganzen Zeigefinger in den Mund, und Chloe stockte der Atem, als er genussvoll die Augen schloss.
    Er warf die Stäbe und ließ seine Figur weitergehen.
    »Ich habe gewonnen.«
    Dann wälzten sie sich über das Deck, nicht nur durch ihr Fleisch, sondern auch durch ihre Seelen verbunden. Sie spürte, wie ihre Haut in seine schmolz, hörte ihn bitten ... betteln ...
    Du darfst nicht tot sein, Chloe!
    Dunkelheit hüllte sie ein. Es war stockfinster wie in der tiefsten Nacht. Langsam setzte sie sich auf, führte die Hand an den dröhnenden Kopf, der sich wie losgelöst anfühlte. Ihr Orientierungssinn war flöten; sie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand. Die Stille war ohrenbetäubend, und gleichzeitig zogen die letzten Bilder eines uralten Tempels in ihrem Geist vorbei ... und mit ihnen kam betäubender Schmerz. Haii, Cheftu! O Gott, Cheftu!
    Sie erstarrte, als der Geist einer Stimme voll und samtig durch die Schwärze um sie herum hallte.
    »Chloe? Chloe, du darfst nicht tot sein!«
    Verschwitzt und zitternd fuhr Sibylla aus dem Schlaf hoch. Angst. Sie hatte Todesangst. Etwas versuchte, von ihr Besitz zu ergreifen, sie zu unterwerfen! Niemand hat so viel Macht, dachte sie ruhig. Ich bin das Orakel, ich bin Priesterin, ich habe alles in der Gewalt. Schwer atmend zwang sie sich zur Besonnenheit. Sie hatte sich nach der Einsamkeit des Daedaledions verzehrt. Sobald sie erst hier wäre, sobald sie erst von der schattenverseuchten Höhle gereinigt

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