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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Geist war, ein Schatten mit Fangzähnen, um genau zu sein. Das Gegenstück zu einem ägyptischen Khaibit. Wenigstens ein einziges Mal möchte ich in einer Zeit ohne Aberglauben leben, dachte Chloe. Wieso kann ich nicht zur Abwechslung einmal in die Zukunft versetzt werden; in eine Welt von Gebäuden aus Alu und Glas, Urinalen für Frauen und Einwegkleidern aus Frischhaltefolie?
    »Im Gegenzug darf ich alle Entscheidungen treffen, die mit der Katastrophe, den Prophezeiungen zusammenhängende
    Sibylla schauderte. »Meinetwegen! Diese Visionen sind grauenvoll. Nie zuvor hat Kela mir solche Schreckensbilder gesandt.«
    Chloe bezweifelte sehr, dass Kela irgendetwas gesandt hatte, doch sie hielt den Mund. Im metaphorischen Sinne. Schließlich würde die ganze Sache höchstens ein Jahr dauern, oder? In Ägypten war sie auch nur ein Jahr geblieben. Was zählte schon ein weiteres Jahr?
    »Zum Ausgleich musst du aber das Rennen laufen«, forderte Sibylla.
    »Das Rennen?«
    »Ganz recht. Um den Thron der Himmelskönigin.«
    »Ich hasse Wettrennen.«
    »Ich hasse es, meinen Körper mit jemandem zu teilen«, belehrte Sibylla sie eisig. Beide Frauen schwiegen kurz.
    »Dürfte ich jetzt in Frieden schlafen?«, fragte sie mit messerscharfer Höflichkeit.
    »Ich wollte schon sagen, wir leben in einem freien Land, aber das tun wir nicht«, erwiderte Chloe.
    Sibyllas Geist kam zur Ruhe, und Chloe nahm schnell den Körper in Augenschein, auf der Suche nach den bezeichnenden Stellen, auf Grund derer sie diesen Körper als ihren erkannte. Die Narbe nach dem Hundebiss in ihrer Hand, die Schnittnarbe quer übers Knie nach Camilles Motorradunfall. Ihr Körper war glatt rasiert, genau wie damals bei den Ägyptern. Dennoch kam er ihr vertraut vor: groß, schlank, muskulös. Ihre Hände sahen aus wie gewohnt. Doch da waren noch die Haare! Lange Haare! Schwarz und lockig. Endlich hatte sie das Haar, von dem sie immer geträumt hatte.
    Unverzüglich beschloss Chloe, dass sie diesen Körper mochte.
    Sie tastete ihr Gesicht ab und spürte ihre Nasenwurzel, das winzige Grübchen in ihrem Kinn. Sie fuhr mit der Zunge über die Zähne. Sie waren vollständig, auch wenn sie alles für eine Zahnbürste gegeben hätte. Sibylla rührte sich immer noch nicht. Ganz langsam wagte Chloe sich in jene geistigen Tiefen vor, in denen das Wissen dieser Frau verborgen lag.
    Es war Spionage, es war Guerillataktik, doch Chloe musste einfach mehr über diese Frau und die Welt erfahren, in der sie lebte. Sie würde alle ihre Fähigkeiten und all ihr Wissen einsetzen müssen, damit dieses Volk nicht durch die bevorstehenden Katastrophen von diesem Planeten gefegt wurde. Nötigenfalls würde sie sogar in Sibyllas Geist eindringen und ihn komplett übernehmen. Sie musste diese Menschen retten. Wozu war sie sonst hier? Was konnte so wichtig sein, dass sie dafür von Cheftu getrennt worden war?
    5. KAPITEL
    AZTLAN
    Schweißverklebt lösten sie sich voneinander. Ileana zitterte; so hatte sie noch nie empfangen oder gegeben. Priamos war wie eine Flutwelle der Leidenschaft, von der sie sich hatte davontragen lassen, ohne Hilfe suchen zu wollen. Sie wälzte sich auf die Seite und sah den jungen Mann an, der mit starrem Blick zur Decke hoch sah. Er schien hellwach und Henti entfernt zu sein.
    »Ich muss fort«, sagte er.
    Ileana musste sich anstrengen, einen klaren Gedanken zu fassen. »Weshalb?«
    »Ich möchte nicht gehen«, meinte er, ohne ihre Frage zu beantworten. »Aber ich fürchte mich vor dem Bleiben.«
    »Ich kann mir kaum vorstellen, dass du irgendjemanden oder irgendetwas fürchtest«, widersprach sie lächelnd.
    Priamos rollte sich in einer schnellen, kräftigen Bewegung über sie. »Ich fürchte, ich werde Zelos umbringen, wenn ich mir vorstelle, wie er in deinem Bett liegt.«
    Sie blickte in seine Augen: Zorn und Feindseligkeit brannten darin. »Du hasst Zelos so sehr?«
    »Du gehörst ihm. Nicht mir.«
    »Ich habe dir eben gehört, Priamos«, wandte sie mit einem koketten Lächeln ein. »Du vergisst allzu schnell.«
    »Ich will, dass du mir für immer gehörst, Ileana. Du bist meine Sonne, mein Mond, mein nächtlicher Sternenhimmel.«
    Erstaunlich abgeschmackt, dachte Ileana. Sie schubste ihn beiseite und verhüllte ihre Schultern. »Ich muss zum Tempel«, sagte sie.
    »Phoebus verabscheut dich, Ileana.« Er liebkoste ihren Nak-ken, ohne zu merken, wie sie erstarrte. »Er würde dich eher umbringen, als seine Pflicht dir gegenüber zu erfüllen. Ich würde dich

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