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Die Sehnsucht der Falter

Die Sehnsucht der Falter

Titel: Die Sehnsucht der Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Klein
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musst noch verarbeiten, was deinem Vater zugestoßen ist, wobei das Chaos in der Schule nicht gerade hilfreich war. Zwei Menschen sind gestorben; deine beste Freundin ist krank geworden. Aber du kannst einem Menschen, den du nicht magst, nicht an allem die Schuld geben. Wäre es nicht Ernessa, wäre es jemand anders.«
    »Es ist aber Ernessa. Ich habe Miss Bobbie auch gehasst, aber deshalb musste ich sie nicht gleich in Stücke reißen.«
    »Für dich existiert Ernessa gar nicht. Sie ist zu deinem Gedicht über den Tod geworden.«
    »Meinem was?«
    »Du musst versuchen, an andere Dinge zu denken. Du bist zu jung, um ständig an so etwas zu denken.«
    Er glaubt nicht an eine andere Ebene der Wirklichkeit. Er glaubt nicht an die Phantasie. Er ist kein echter Dichter.
    »Woran sollte ich sonst denken? An Jungen? Klamotten? Essen?«
    Das Gespräch schien beendet, verbraucht. Ich würde nie wieder zu Mr. Davies gehen. Die Stunden, in denen wir in dem leeren, sonnendurchfluteten Klassenzimmer über Bücher gesprochen hatten, waren vorbei. Ich stand auf, um zu gehen, rührte mich aber nicht. Mr. Davies trat direkt vor mich. Langsam und bestimmt öffnete er die drei oberen Knöpfe meiner weißen Bluse, die ich unter dem Sporttrikot trug. Dann streifte er die Träger meines BHs herunter, ganz sanft und rücksichtsvoll, und legte seine Hände auf meine Brüste. Seine Hände lagen so kühl und glatt auf meiner heißen Haut. Er wollte mich beschwichtigen, beruhigen. Jede Hand bedeckte eine Brust. Darunter raste mein Herz. Ich konnte nicht anders. Dann beugte er sich über mich und nahm meinen Mund in seinen. Er küsste mich lange.
    Mich überkam eine unglaubliche Lethargie. Ich würde mich nie mehr bewegen, mich von ihm befreien und durch den Raum zur Tür, in den Flur hinaus und nach draußen gehen können. Claire hatte sich vor der Tür aufgepflanzt und versuchte, durch die Milchglasscheibe zu gucken. Wenn ich dort hinausging, würde ich nicht verbergen können, was geschehen war. Ich würde ihr Beweis gegen Mr. Davies sein, obwohl es im Grunde genau umgekehrt war.
    Der Kuss dauerte lange. Er war süß. Würde niemals enden. Irgendwie schaffte ich es aus dem Raum. Ich brauchte meine ganze Kraft dafür.
     
    Eine Stunde später ist es schon verschwommen. Ich zog einen grauen Pullover über meine weiße Bluse, die schweiß nass war, und knöpfte ihn bis oben zu. Die Wolle kratzte auf der feuchten Haut. Ich bin sicher, ich habe es nur geträumt, auch dass ich es genossen habe. Seine Hände. Ist es nicht schlimmer, von so etwas zu träumen?
    Ich habe Mr. Davies nie getraut. Er wollte nur über mich an meinen Vater herankommen. Etwas von meinem Vater muss an mir hängen geblieben sein, und er wollte sich diesem Etwas so weit wie möglich nähern. Was ist hängen geblieben? Hat er bekommen, was er wollte?
    Ich kann mir nicht vorstellen, was passieren würde, wenn jemand mein Tagebuch fände und das hier läse. Ich will nicht, dass Mr. Davies etwas zustößt.
    Ich habe die Kommode vor die Tür geschoben und das Bad abgeschlossen.
Nach dem Abendessen
    Heute habe ich keine Zeit für Hausaufgaben, nur fürs Schreiben.
    Gott sei Dank habe ich Mr. Davies nicht viel erzählt, aber es reichte, um ihn zu verärgern. Ich spürte, wie er sich gegen meine Worte sträubte, noch bevor er sie gehört hatte. Das alles kommt in mein Tagebuch. Mein Tagebuch wird mich beschützen.
    Am Sonntagmorgen (gestern) bin ich gegen halb neun aufgestanden. Ich schaute bei Lucy rein, und da sie noch schlief, ging ich auf eine Tasse Kaffee nach unten. Als ich wieder heraufkam, schlief sie noch immer. Ich beschloss, sie nicht zu wecken, obwohl sie Berge von Hausaufgaben zu machen hat. Früher war sie sonntags immer als Erste auf und schon in der Kirche, bevor wir es auch nur aus dem Bett geschafft hatten. Sie war keine Langschläferin. Jetzt muss sie ihre ganze Kraft für die kommende Woche aufsparen. Ich ging in mein Zimmer, räumte ein bisschen auf und machte mein Bett. Dann setzte ich mich an mein Geschichtsreferat. Ich ging ins Bad, putzte mir die Zähne, wusch mir das Gesicht. Ich schrieb ein bisschen Tagebuch, aber das machte mich zu traurig. Ich stand immer wieder auf und öffnete die Tür zu ihrem Zimmer einen Spaltbreit, schaute sie an. Schließlich ging ich rein und setzte mich neben sie aufs Bett. Ihr Gesicht war farblos, und sie atmete so flach, dass ihre Brust sich kaum hob und senkte. Ihre Hand lag auf der Decke, und als ich sie berührte, war

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