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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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Kopf.
    »Hör mir zu, Lydia.« Antonina sprach schnell, wobei sie sich mehrfach umschaute, ob jemand lauschte. »Ich bin nach Felanka gefahren, um nach dir zu suchen, aber du warst verschwunden. Ich hatte die Information, die du wolltest. Ich habe Alexej gesagt, dass Jens Friis nach Moskau verlegt wurde. Doch«, sie schnippte nachdenklich die Asche in einen silbernen Aschenbecher, »das scheinst du ja bereits zu wissen, und deshalb bist du vermutlich auch hier. Du musst herausgefunden haben, dass man ihn vom Lager wegverlegt hat.«
    Lydia nickte.
    »Schlau gemacht«, murmelte Antonina.
    »Und wo ist Alexej jetzt?«
    »Ich weiß es nicht. Ich wünschte bei Gott, ich wüsste es.«
    Es war die Art, wie sie es sagte, nicht die Worte selbst. Als wären sie schmerzlich für sie. Jedenfalls genügte es, um Lydias Aufmerksamkeit von ihrer eigenen Verzweiflung abzulenken und sie auf ihr Gegenüber zu richten. Antonina sah hübsch aus. Kühl und elegant, mit ihren nackten, zerbrechlichen Schultern und einer einreihigen Perlenkette um ihren langen, blassen Hals. Ihr Gesicht wirkte ruhig, heiter wie das einer Puppe, und Lydia kam der Gedanke, diese Frau habe gelernt, eine harte Schale zwischen sich selbst und der Welt aufzubauen, von der ihr Mann so sehr überzeugt war, dass sie eines Tages das Glücksmekka der Menschheit sein würde. Ihre Augen blickten kühl und geheimnisvoll, doch ihr voller, scharlachroter Mund sprach eine andere Sprache. Da war eine winzige Ecke, die zu zucken begann, ohne dass sie es unter Kontrolle hatte, wenn die Rede auf Lydias Bruder kam.
    Lydia legte zögernd ihre Hand auf die weißbehandschuhte von Antonina, die auf dem Tisch ruhte. »Sag mir, was passiert ist«, sagte sie mit leiser Stimme.
    »Nicht viel. Wir haben uns in Felanka kennen gelernt … und geredet. Und dann ist er abgereist.«
    »Nach Moskau?«
    »Das hat er gesagt, ja. Etwas davon, dass er zur Christ-Erlöser-Kathedrale muss.«
    Dann hatte er also doch ihren Brief bekommen, dachte Lydia. »Ich kenne Alexej«, erwiderte sie. »Wenn er das gesagt hat, dann wird er hier auftauchen, egal wie es ihm geht.«
    »Wirklich?«
    Ein Wort. Das war alles. Aber der unverhohlene Eifer, mit dem Antonina es ausgesprochen hatte, war für Lydia mehr als verräterisch. Dann war es also wirklich so – ihr Bruder und Antonina. Ihre eigene Einsamkeit machte das nur noch schlimmer, trotzdem nickte sie und drückte Antoninas Hand. »Er wird kommen. Ich weiß, er wird kommen.«
    »Sagst du mir, wenn …«
    »Ja, natürlich.«
    Lydia sah aus dem Augenwinkel Dmitris große Gestalt auf sie zukommen. Das war also der Mann, der in den letzten Jahren das brutale Arbeitslager befehligt hatte, in dem ihr Vater inhaftiert gewesen war. Wie konnte sie es über sich bringen, noch ein Wort mit ihm zu reden? Wie konnte sie ihm auch nur ins Gesicht sehen?
    »Da bist du ja, mein Liebling«, sagte Dmitri und stellte ein Glas Rotwein vor seiner Frau auf den Tisch. »Und für dich, junge Lydia, habe ich ein Glas Champagner.«
    »Champagner«, sagte sie steif.
    »Ja. Um zu feiern.«
    »Was gibt es denn zu feiern?«
    Einen Moment lang musterte er sie aufmerksam, und sein Gesicht kam ihr irgendwie traurig vor, als wüsste er, dass er gerade etwas verloren hatte. »Die chinesische Delegation ist da.«
    Lydia sprang auf, doch ihre Beine wollten ihr nicht recht gehorchen. Sie blickte sich in dem überfüllten Raum um und gab sich den Anschein, als bedeute ihr das alles gar nichts. »Wo sind sie?«
    »Einige von ihnen stehen da drüben mit General Wasiliew. Die anderen sind …«
    Antoninas Augen weiteten sich, als sie auf etwas fielen, das direkt hinter Lydias rechter Schulter sein musste. Lydias Mund wurde trocken.
    »Hinter dir«, beendete Dmitri seinen Satz.
    Lydia fuhr herum, denn sie rechnete damit, Kuan vor sich zu sehen. In diesem Moment stockte ihr der Atem. Ihr Herz zersprang, und all das Glück, das sie darin aufbewahrt hatte, durchflutete ihre Adern. Denn sie blickte direkt in die schönen, dunklen Augen von Chang An Lo.
    Lydia wusste, dass es Zeiten gibt, in denen man vom Leben mehr bekommt, als man sich je gewünscht hat. Und ja, das war ein solcher Augenblick. Am liebsten hätte sie den Göttern ein tausendfaches spassibo entgegengerufen, so laut, dass es von dem glitzernden Glasdach widergehallt hätte, denn die grenzenlose Großzügigkeit ihrer himmlischen Beschützer raubte ihr den Atem. Heute Abend hatte sie sie um Kuan angefleht, doch bekommen hatte sie Chang An

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