Die Sehnsucht der Konkubine
Schuhen bist nicht wie sie. Da ist etwas an dir, das immer noch lebendig ist, etwas, das gerade seine Schwingen ausbreitet, um loszufliegen. Manchmal, wenn ich dir so nah bin wie jetzt, kann ich es hören.«
Lydia holte tief Luft und spürte, wie ihr der Schweiß den Hals hinablief. »Ich …«
»Hallo, Dmitri.«
Mit einem Mal hatte Lydia das Gefühl, als wäre der Mann, der gerade noch mit ihr getanzt hatte, ihr entglitten und zu einem ganz anderen geworden. Dieser hier war wieder aalglatt und unnahbar, der Apparatschik mit dem mühelosen Charme und dem schnellen Lächeln, den sie im Verbindungsbüro kennen gelernt hatte. Einen Moment lang war Lydia aus der Fassung gebracht. Der Mann, der gerade dabei gewesen war, ihr Freund zu werden, war verschwunden.
»Lydia«, sagte er. Darf ich dir … meine liebe Frau, Antonina, vorstellen.«
Lydia fuhr herum und spürte, wie ihr eine tiefe Röte in die Wangen stieg. Die Frau vor ihr trug ein elegantes, perlenbesticktes Kleid und hatte sich das dunkle Haar aufgesteckt, was ihren langen, blassen Hals sehr vorteilhaft zur Geltung brachte. Ihre braunen Augen blickten aufrichtig amüsiert, ganz anders als an jenem Morgen im Waschraum des Hotels in Seljansk oder auf dem Bahnsteig in Trowitsk.
»Nun, das ist ja unsere junge Lydia Iwanowa«, sagte Antonina. »Das Mädchen aus dem Zug.«
Ihre letzte Bemerkung klang ein wenig spöttisch, doch als sie ihr die Hand entgegenstreckte, wirkte es wie eine Geste von aufrichtiger Herzlichkeit. Lydia schüttelte ihr die Hand, wobei sie sich sehr wohl des langen, weißen Abendhandschuhs bewusst war, der den Arm der Frau bis zum Ellbogen bedeckte.
»Dmitri, Liebling, sei ein Engel und hol mir was zu trinken, ja? Und bring auch unserer jungen Freundin hier etwas mit. Sie sieht so aus, als könnte sie es vertragen.«
»Mit Vergnügen, Antonina«, sagte ihr Ehemann, nahm ihre Hand und küsste die Oberseite ihres Handschuhs. Lydia spürte, dass etwas zwischen den beiden vorging, war sich jedoch nicht sicher, was.
Seine hochgewachsene Gestalt verschwand in der Menge, und Antonina nahm Lydia beiseite, setzte sich mit ihr an einen Tisch und schob eine Zigarette in eine Spitze aus Elfenbein. Einen Moment später trat ein Kellner zu ihr und zündete die Zigarette an. Sie sagte nichts, bis er wieder weggetreten war.
»Also«, begann sie. Der amüsierte Ausdruck in ihren tief liegenden Augen war wie weggeblasen. »Mein Mann hat sich also mit dir vergnügt, junge Genossin.«
»Nein. Er hilft mir.«
»Ach ja?«
»Jemanden zu finden.«
»Ach so, ja. Deinen verschollenen Halbbruder, nehme ich an.«
»Alexej?«
»Ja.« Antonina bemerkte Lydias überraschten Gesichtsausdruck. »Meintest du etwa nicht ihn?«
»Woher kennst du Alexej?«
»Ich habe ihn in Felanka kennen gelernt. Nachdem du weg warst. Er suchte nach dir.«
In Felanka. Nachdem du weg warst. Er suchte nach dir. Lydia verschränkte die Hände in ihrem Schoß, um sie davon abzuhalten, vor Wut auf den Tisch zu schlagen. All diese Wochen hatte sie geglaubt, Alexej habe sie verlassen. Dabei war es die ganze Zeit andersherum gewesen: Sie hatte ihn im Stich gelassen. Sie hörte ein seltsames Krächzen und brauchte einen Moment, bis sie merkte, dass es ihr eigenes Atmen war.
»Geht es dir gut?« Antonina beugte sich über den Tisch, die Hand ausgestreckt, warf dabei aber einen argwöhnischen Blick in den Raum. »Sei auf der Hut.« Sie wartete schweigend, während Lydia sich allmählich wieder unter Kontrolle bekam. »Kann ich dir helfen?«
»Ich … ich hab es nicht gewusst.«
»Dass er zurückgekommen ist, um nach dir zu suchen?«
Lydia ließ den Kopf hängen, und das Haar fiel ihr ins Gesicht. Sie spielte mit einer ihrer Locken. »Wie ging es ihm?«, fragte sie flüsternd.
»Alexej?« Antonina nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette und stieß den Rauch aus ihren Nasenflügeln aus, wie ein erwachender Drache. »Er war in keiner guten Verfassung, fürchte ich.«
»Wieso?«
»Er war zusammengeschlagen worden.« Sie zögerte, und ihre Stimme stockte für einen Moment, als sie hinzufügte: »Er hatte Stichwunden.«
Lydia gab sich große Mühe, nicht in Tränen auszubrechen. »War er schwer verletzt?«
»Die Wunde heilte schon, mach dir keine Sorgen. Doch am Anfang muss es schlimm gewesen sein.« Wieder dieses Stocken in Antoninas Stimme.
»Hat er denn meinen Brief bekommen?«
»Was für einen Brief? Tut mir leid, aber ich weiß nichts von einem Brief.«
Lydia schüttelte den
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