Die Sehnsucht der Konkubine
habe?«
»Hier gibt es nicht allzu viel Gutes zu berichten, fürchte ich.«
Ein winziges Schweigen breitete sich über die Kluft, die zwischen ihnen lag, aber er schien es nicht zu bemerken. Auf einmal war ihr unbehaglich.
»Du hast noch nicht herausgefunden, wo sich Jens Friis aufhält?«, fragte sie schließlich.
»Nein.«
Wieder Schweigen. Er wippte weiterhin sorglos mit seinem Fuß.
»Aber ich dachte …«, begann sie. Die Worte erstarben. Was hatten sie schon für einen Sinn?
»Das dachte ich auch.«
»Hast du mir deshalb all die Lebensmittel gebracht? Als Ersatz für Informationen?«
Plötzlich hörte er mit dem Wippen des Fußes auf. »Lydia, ich habe nichts mehr mit Zuchthäusern und Arbeitslagern zu tun.«
»Erinnerst du dich an ihn aus dem Lager von Trowitsk? Jens Friis. Groß und rothaarig.«
»Natürlich nicht. Dort gab es Hunderte von Gefangenen, und ich hatte wenig mit ihnen zu tun. Ich war nur dort, um dafür zu sorgen, dass die Arbeitsnormen erfüllt wurden und das geschlagene Holz nach Süden transportiert wurde. Ich habe nicht bei den Gefangenen gesessen, ihnen die Hand gehalten und Gutenachtgeschichten erzählt, wenn du das meinst.«
Sie starrte ihn an.
Er lächelte nicht, sondern erwiderte einfach nur ihren Blick, auf dem Gesicht einen Ausdruck der Geduld. Das stachelte sie erst recht auf.
»Aber ich habe dir doch mehr gesagt«, erwiderte sie. »Ich habe dir die genaue Nummer des Gefängnisses genannt, in dem er angeblich festhalten wird – Nummer 1908. Sicher kannst du doch von deinen Kontaktleuten hier erfahren, wo es sich in Moskau befindet.« Sie trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. »Auch wenn du selbst nicht herausfinden kannst, ob er dort sitzt.«
»Lydia, mein liebes Mädchen, ich würde, wenn ich könnte, das versichere ich dir. Aber du musst einfach begreifen, dass manche Geheimnisse selbst für mich Geheimnisse bleiben.« Seine Stirn war in Falten gelegt, doch Lydia war sich nicht sicher, ob aus Sorge oder Verärgerung. »Tut mir leid, dass ich dir nicht mehr helfen kann.« Und dann fügte er noch hinzu: »Ich wünschte, ich könnte es.«
Lydia bückte sich und hob die große Papiertüte vom Boden auf. Eins nach dem anderen legte sie die Lebensmittel wieder zurück. Malofejew verlor kein Wort dazu.
»Ich glaube dir nicht«, sagte sie leise, den Rücken ihm zugedreht.
Die Zigarren hob sie sich bis zum Schluss auf und legte sie ganz oben auf die Tüte. Dabei dachte sie an Alexej und daran, wie sehr er sich darüber gefreut hätte. Schließlich wandte sie sich Malofejew zu.
»Dmitri, warum machst du das? Mir helfen, meine ich. Du bringst mir so üppige Geschenke, obwohl du mich kaum kennst und mir gewiss auch nichts schuldig bist. Du weißt ebenso gut wie ich, dass du mit einer dieser Kaviardosen jedes Mädchen hier in Moskau haben könntest, das du haben willst.« Sie musterte sein Gesicht. Sah, wie es weich wurde, und hörte, wie sich ein Seufzer seiner Kehle entrang, noch bevor er es verhindern konnte.
»Ach, Lydia, ich bin nicht hier, um dich zu kaufen.«
»Ach, nein?«
»Nein.«
»Warum bist du dann hier?«
Er beobachtete sie nachdenklich. »Weil ich mir wünsche, dass du mich eines Tages so anschaust, wie du vorgestern Abend deinen chinesischen Freund im Hotel Metropol angesehen hast.«
Etwas Heißes wallte in Lydias Brust auf. »Wir haben getanzt, das ist alles. Noch dazu ziemlich schlecht.«
»Nein. Das war nicht alles.«
»Wie meinst du das?«
»Du weißt genau, wie ich das meine.«
»Nein, weiß ich nicht. Jedenfalls scheinst du zu vergessen, dass du eine schöne Frau zuhause hast, Dmitri.«
»Ach ja, meine Antonina. Aber du täuschst dich, Lydia, keine einzige Sekunde lang könnte ich jemals meine schöne Frau vergessen.« In seiner Stimme lag eine Traurigkeit, die so grau und weich war wie ein Schatten. »Es war sogar sie, die mir den Vorschlag gemacht hat, dir diese Geschenke hier mitzubringen, wenn ich dir schon nicht helfen kann.«
»Wie praktisch.«
Er lächelte höflich.
Lydia versuchte, nicht auf die Eleganz zu achten, die ebenso mühelos an ihm hing wie sein Ledermantel, und das rote Haar, das in ihr alle möglichen Erinnerungen an ihren Vater weckte und das sie unter ihrer Haut spürte wie einen Schauder. Aus einem Grund, der ihr verborgen war, kam ihr das Leben in China seltsam verschwommen und weit weg vor, wann immer dieser Mann hier ihr gegenübertrat. Das beunruhigte sie mehr, als sie zugeben wollte.
»Genosse«, sagte
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