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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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Stimmen der Bahnarbeiter, die sich Anweisungen zuriefen, während sie das schmale Tankrohr zu dem Wasserturm auf seinen dünnen, spinnenartigen Beinen zurückschwenken ließen. Eine Lampe hing an einem hohen Draht direkt über dem Tank und warf unheimliche Schatten auf den Boden, während sie im Wind schwankte, wie Geister, die zwischen ihren Füßen hin und her huschten. Abergläubisch, wie sie war, bemühte sie sich, nicht mit den Stiefeln darauf zu treten. Rußpartikel landeten auf ihrer Haut, weich wie zarte Motten mit schwarzen Flügeln. Oder waren das die Nachtgeister, vor denen Chang sie gewarnt hatte?
    »Monatelang«, sagte sie, »sind wir jetzt zusammen auf Reisen, und noch nie haben wir über unsere Erinnerungen an Jens Friis gesprochen. Jedenfalls haben wir nicht richtig darüber gesprochen. Nicht einmal, als wir damals drei Wochen in Omsk festsaßen.«
    »Nein«, stimmte Alexej ihr zu. »Nicht einmal da.«
    »Damals war ich …« Sie zögerte, weil sie nicht recht wusste, wie sie es ihm erklären sollte. »Damals war ich noch nicht bereit dazu.«
    Ein kurzes Schweigen. Die Seitenwände der Lokomotive schienen leicht zu beben, eine Art Seufzer ging durch den Kessel, als er seinen heißen Atem ausstieß. Lydia wischte sich den Ruß von der Wange, während Alexejs Stimme mit einer Sanftheit aus der Dunkelheit an ihr Ohr drang, die sie nicht gewöhnt war.
    »Weil dein Russisch nicht gut genug war?«
    »Ja«, log sie.
    »Das dachte ich mir schon.«
    »Dann erzähl es mir jetzt.«
    Er holte tief Luft, als wollte er tauchen. Was war es, das er da unten so fürchtete? Welche gefährliche Strömung aus seiner Vergangenheit? Sie streifte sanft mit dem Handschuh seinen Ärmel und spürte, dass sie sich noch nie zuvor ihrem Bruder so nahe gefühlt hatte wie jetzt und hier, auf diesem eisigen Stückchen schmutziger Erde, mitten in diesem Land, das das ihre war und doch auch wieder nicht. Sie spürte, wie sich etwas in ihr zu lösen begann, als sie mit dem Handschuh seinen Ärmel streifte, und sie so fest miteinander verschmelzen ließ, dass es sie überraschte, als sie ihre Hand dennoch ganz ohne Mühe wieder von ihm lösen konnte.
    »Er ist oft zu Besuch gekommen«, begann Alexej ruhig. »Jens Friis. In St. Petersburg. Meine Mutter und ich lebten damals bei ihrem Ehemann, dem Grafen Serow, dem Mann, von dem ich immer geglaubt habe, er sei mein Vater, in einem großen Herrenhaus mit einer langen, kiesbestreuten Auffahrt. Oft hielt ich von dem Salonfenster im ersten Stock nach Jan Ausschau – von dort aus hatte man den besten Blick auf seine Ankunft.«
    »Kam er denn oft?«
    »Jeden Samstagnachmittag. Ich habe nie nachgefragt, warum er so regelmäßig kam. Oder warum er immer so viel Aufhebens um mich machte. Manchmal hat er mir ein Geschenk mitgebracht.«
    »Was denn zum Beispiel?«
    »Oh«, Alexej wedelte beiläufig mit der Hand. »Briefmarken für mein Album oder ein neues Modell zum Bauen.«
    »Ein Modell?«
    »Ein Schiff. Einen Schoner aus Holz, mit dem man in den Fernen Osten segeln könnte. Aber manchmal verband er mir auch die Augen, drehte mich ein paar Mal im Kreis herum und schenkte mir dann ein Buch.«
    »Was für Bücher waren das?«
    »Gedichte. Er mochte Puschkin. Oder russische Volksmärchen. Obwohl er Däne war, wollte er unbedingt, dass ich mein russisches Erbe kennen lerne.«
    Sie nickte.
    »Also lief ich immer zum Fenster«, jetzt klang Alexejs Stimme ganz warm, »wann immer Mama mir sagte, Jens Friis würde zu Besuch kommen, und da hockte ich dann und wartete, jederzeit bereit, aufzuspringen und ihm zuzuwinken.« Ein verlegenes Lachen drängte sich zwischen seine Worte. »Einfach ein kleiner Junge, an einem von über dreißig Fenstern.«
    »Aber hat er dich denn gesehen, wenn er die Auffahrt hochkam?«
    » Da , immer. Er lüpfte dann den Hut und schwenkte ihn so schwungvoll durch die Luft, dass ich lachen musste.«
    »In einer Kutsche?«
    »Manchmal, ja. Ansonsten kam er meistens auf seinem Pferd.«
    Seinem Pferd.
    Auf einmal flog Lydia eine Erinnerung zu, von irgendwoher, und bahnte sich einen Weg in ihr Bewusstsein. Ein Pferd. Ein herrlicher, edler Brauner mit einer schwarzen Mähne, an die sie sich mit ihren kurzen Fingerchen so gerne gehängt hatte. Ein Pferd, das nach muffigem Öl und nach Hafer roch, ein Pferd namens …
    »Heros«, sagte sie.
    Alexejs Gesicht war plötzlich noch näher bei ihrem, und sie konnte den Tabak in seinem Atem riechen. »Du erinnerst dich auch an ihn?«
    »Ja«,

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