Die Sehnsucht der Konkubine
verabscheute den Mann. Noch nie hatte er verstanden, was Lydia an diesen faulen, dummen, trunksüchtigen Kosaken band, der wie ein Bär stank und wie ein Pferd furzte. Doch in genau diesem Moment brauchte er ihn.
»Also, Popkow, es ist an der Zeit, dass du und ich uns auf den Weg machen. Heute Abend. Mit einem Bündel Rubel in unseren Taschen und einer Flasche Wodka, mit der wir ein paar Köpfen eins überziehen können.«
Alexej hatte sich bemüht, seiner Stimme einen liebenswürdigen Ton zu verleihen, doch der Blick, den er dem großen Mann dabei zuwarf, war kalt und herausfordernd. Popkow drehte sich zu ihm, musterte ihn über Lydias Kopf hinweg und bleckte die Zähne, was ebenso gut ein Lächeln wie ein verächtliches Fletschen sein konnte.
»Da.«
So hatten sie es immer gemacht. Ein paar Flaschen Wodka ausgegeben, um auf den verschwiegenen Gassen einer fremden Stadt ein paar Freundschaften zu schließen. Es war erstaunlich, welche Geheimnisse man den Menschen auf diese Weise entlocken konnte. Zum Beispiel erfuhr man, welche Beamte eine weiße Weste hatten und welche nicht. Wer es mit der Frau seines Chefs trieb, und wer es vorzog, in dunklen Gassen kleine Jungs aufzugabeln. Das war es, was Popkow gemeint hatte, als er sich beklagte, Felanka sei zu ordentlich, zu sauber – dabei war es nirgendwo zu sauber. Ein solcher Ort existierte gar nicht.
»Weißt du, Lydia, es ist noch viel zu früh, um …«
Doch in diesem Moment gab sie ein leises Stöhnen von sich und barg den Kopf in den Händen. Ihre Mütze fiel zu Boden, und ihr Haar wogte wie ein leuchtend roter Vorhang vor ihrem blassen Gesicht, als wollte sie sich vor ihm verschließen. Alexej schaute zu Popkow. Der große Mann starrte das Mädchen mit einem so deutlichen Ausdruck der Bestürzung an, als machte ihr Stöhnen ihm mehr Angst als die Aussicht darauf, wegen Bestechung eines Parteibonzen festgenommen zu werden. Keiner von beiden hatte sie jemals so gesehen. Alexej streckte eine Hand aus und berührte sie behutsam an der Schulter.
»Was ist denn, Lydia?«
Ein Zittern durchlief ihren Körper. Er wartete, doch es drang kein Laut aus ihrem Mund. Wenigstens weinte sie nicht; er hasste Frauen, die weinten. Nach einer ganzen Minute drückte er ihr sanft die Schulter. Unter der Wattierung ihrer Jacke spürte er ihre Knochen, doch er hörte nicht auf, ihre Schulter zu drücken, bis er wusste, dass er ihr damit wehtat. Selbst als Popkow ein Ächzen von sich gab, das tief aus seiner Brust zu kommen schien, ließ Alexej nicht von ihr ab.
Mit einem Murmeln hob sie den Kopf, blinzelte träge und wandte ihm das Gesicht zu. Ihre Augen, die sonst so munter und voller Wissbegier funkelten, sahen müde und ausdruckslos aus, ein trauriges Braun, trotzdem verzog sich ihr Mund zu einem liebevollen Lächeln.
»Du kannst jetzt damit aufhören«, sagte sie leise.
Er hörte auf zuzudrücken, nahm die Hand jedoch nicht weg, sondern ließ sie auf Lydias Schulter liegen.
»Alles wieder in Ordnung?«, fragte er sanft.
»Ja.« Sie schenkte ihm ein etwas skeptisches Lächeln, und am liebsten hätte er sie geschüttelt.
»Was sollte das denn? Sag’s mir.«
Sie legte ihre Hand einen kurzen Augenblick lang auf die seine, aber dann folgte ihr typisches Achselzucken, und sie griff wieder nach ihrer heißen Schokolade. »Wollte euch bloß einen Schrecken einjagen«, murmelte sie und nippte an ihrer Tasse.
»Das ist dir gelungen.«
»Also werdet ihr, Liew und du, heute Abend …«
Doch Popkow achtete nicht mehr auf sie, sondern starrte auf die Straße, und auf seinem Gesicht machte sich ein schiefes Grinsen breit. Alexej kniff die Augen zusammen, um nachzusehen, wer von den Passanten den Kosaken so im Bann hielt, konnte jedoch zunächst nichts Ungewöhnliches entdecken. Die Leute gingen mit raschen Schritten auf dem Bürgersteig vorbei, die fufaikas bis zum Kragen zugeknöpft, weil sie es offenbar eilig hatten, dem unangenehmen Wind zu entkommen. Ein schwerer Lastwagen rumpelte die Straße entlang und brachte die Fensterscheibe des Ladens zum Klirren. Nachdem er vorbeigefahren war, fiel Alexejs Blick auf eine Gestalt, die breitbeinig auf dem Gehweg gegenüber stand, mit beiden Armen winkte und Popkow zulächelte. Es war die Dicke aus dem Zug. Die mit dem großen Busen. Was, zum Teufel, machte sie hier? Er fuhr verärgert zu dem Kosaken herum, doch Lydia war schneller als er.
»Liew«, fauchte sie. »Was machst du da?«
Er blinzelte sie nachsichtig an. »Ich winke
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