Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
Vom Netzwerk:
vor dem Horizont abhob und dicke Schwaden übel riechenden Rauches von sich gab, der die Luft fast greifbar machte. Heute jedoch hielt ein Ostwind den Rauch in Schach, und die Stadt zeigte unter einem strahlend blauen Himmel ihren ganzen Charme.
    »Popkow.« Alexej wies mit einem Nicken auf den Laden, an dem sie gerade vorbeikamen.
    Er wollte seine Schwester von der Straße wegbringen. Seit sie aus dem Zug gestiegen waren, war Lydia still geworden und hatte auch bleich und teilnahmslos gewirkt, als sie sich in die Liste der Pension eintrugen und man ihnen ihre Zimmer gezeigt hatte, in denen es nach frischgewaschener Bettwäsche roch. Er fragte sich, ob sie krank wurde. Oder ob es etwas anderes war, das ihr zu schaffen machte.
    Alexej stieß die Tür zu dem Laden auf. Es handelte sich um eine kleine Druckerei, mit mehreren schweren Druckpressen auf der linken Seite, um die eine Gruppe von Männern herumstand. Eine Geruchsmischung aus Metall und Tinte lag in der Luft. Auf der rechten Seite des düsteren Raumes verlief ein hoher Tresen vor einem Fenster, und das war es, was Alexej von außen gesehen hatte. Hier konnten sich Kunden etwas Heißes zu trinken kaufen und darauf warten, bis ihre Bestellung fertig gedruckt war. Eine alte babuschka mit schütterem grauem Haar, das sie zu einem spärlichen Knoten geschlungen hatte, saß im hinteren Teil des Ladens und beobachtete das Geschehen mit Argusaugen, die eine Hand besitzergreifend auf den Klauenfuß des Samowars neben ihr gelegt.
    »Dobry den« , grüßte Alexej sie höflich. »Guten Tag.«
    »Dobry den« , erwiderte sie mit einem Nicken und gewährte ihm einen Blick in ihren zahnlosen Mund, was vermutlich als Lächeln gedacht war. Er kaufte Tee für sich selbst und Popkow und heiße Schokolade für Lydia, die sie zu dem hölzernen Tresen am Fenster brachten.
    »Ist zu ordentlich hier«, brummte Popkow erneut. »Für uns.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Lydia. Wieder stand sie zwischen den beiden – das schien fast an der Tagesordnung zu sein –, schaute sie jedoch nicht an, sondern legte einfach nur die behandschuhten Hände um das heiße Glas und schaute auf die Straße hinaus. In diesem Teil des Ladens waren sie momentan die Einzigen, und der Lärm der Druckerpressen sorgte dafür, dass keine Gefahr bestand, es könne sie jemand belauschen.
    Popkow fuhr sich mit den Fingern durch den dichten Bart. »Die brauchen uns nicht.«
    »Du meinst unser Geld?«, fragte sie.
    »Da.«
    Sie versank wieder in Schweigen und nippte an ihrer Schokolade. Alexej spürte, wie entmutigt sie auf einmal war.
    »Die Leute nehmen immer Geld«, sagte er entschlossen. » Immer . Weißt du das noch nicht?«
    Lydia zuckte mit den Achseln.
    »Hör zu, Lydia.« Alexej betrachtete aufmerksam ihr Gesicht. Es sah müde aus, dunkle Halbmonde lagen unter ihren Augen. »Wir haben es bis hierher geschafft. Bis zum Lager von Trowitsk. Wir haben sogar schon einige der Gefangenen zu Gesicht bekommen, die armen Teufel.« Er sah, wie sie zusammenzuckte, ein winziges Beben der Muskeln neben ihrem Auge. Das war alles. Sie sagte nichts. Er senkte die Stimme. »Wir haben immer gewusst, dass der nächste Teil ziemlich schwierig wird.«
    »Schwierig?« Popkow schnaubte. »Verdammt gefährlich, meinst du wohl.«
    »Aber nicht unmöglich.« Alexej war verärgert und klopfte gereizt mit den Fingerknöcheln auf das Holz, als könnte er ihnen damit Vernunft einbläuen. »Jens ist vielleicht immer noch hier.«
    Er sah, wie sie zu zittern begann. Manchmal vergaß er einfach, wie verletzlich sie war, wie schutzlos. Er musste sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass er mehrere Jahre militärische Ausbildung in Japan genossen und dabei auch verschiedene Methoden der Selbstkontrolle erlernt hatte, doch Lydia … Lydia hatte nichts. Er nahm einen Schluck von seinem tschai. Er war heiß und brannte sich seinen Weg durch seine Kehle, trotzdem konnte er nicht das erwärmen, was tief da unten lag, kalt und unberührt. Alexej richtete sich auf, reckte seine Schultern und sah dem einäugigen Kosaken ins Gesicht.
    »Popkow, ich dachte, du wärst ein Mann, der die Gefahr liebt. Hast sie mit der Muttermilch eingesogen, habe ich gehört.«
    Er sah, wie Popkows gesundes Auge aufblitzte und sein Blick blitzschnell zu dem Mädchen wanderte, das zwischen ihnen stand. In diesem Moment begriff Alexej eines: Wenn Popkow irgendein Gefühl für Gefahr besaß – woran Alexej ernsthaft zweifelte –, dann galt es nicht ihm selbst. Alexej

Weitere Kostenlose Bücher