Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
Vom Netzwerk:
ihre Hässlichkeit für seine Augen nur eine Beleidigung sein konnte. Doch nun, da die Religion nichts mehr war als ein schmutziges Wort, etwas, an dem das Politbüro sich seine kommunistischen Stiefel abwischte, waren die Fabriken und Gießereien Russlands zu dessen neuen Kirchen geworden.
    »Alexej?«, sagte Lydia wieder und tippte ihm beharrlich auf den Arm.
    Er gab ihr mit einem Nicken zu verstehen, dass er ihr zuhörte, schaute dabei jedoch immer noch forschend zu der Zufahrtsstraße der Gießerei. Von irgendwoher drang das Motorengeräusch eines Lastwagens, der gestartet wurde, an ihre Ohren.
    »Ich hab da eine Idee«, sagte sie.
    Sie spürte, wie sein Arm sich versteifte. Er blickte sie rasch an. »Was für eine Idee?«
    »Ich möchte euch unbedingt dabei helfen. Im Moment seid es doch bloß ihr beide, Popkow und du, die einen Wärter und einen Gießereiarbeiter ausschnüffeln wollen, die bestechlich sind, während ich nur rumsitze und Däumchen drehe und auf euch warte …«
    »Um Gottes willen, Lydia, was stellst du dir denn vor? Wenn du dich überall zeigst und Fragen stellst, bringst du uns alle nur in Gefahr.« Sein Griff um ihre Hand wurde fester. »Tu es nicht!«, sagte er. Seine grünen Augen musterten sie aufmerksam. »Was auch immer du vorhast, tu es nicht! Hast du mich gehört? Tu es nicht!«
    Es entstand ein langes Schweigen, das nur vom Näherkommen des Lastwagens durchbrochen wurde. Lydia wandte als Erste den Blick ab, nicht, weil Alexej sie nervös machte, sondern weil sie nicht wollte, dass er sah, wie wütend sie war. Sie versuchte, ihm ihre Hand zu entziehen, doch er weigerte sich, sie loszulassen. Über ihnen verlor der Himmel allmählich seine Farbe, und die ersten Vorboten der Dunkelheit kamen mit großen Schwingen von Westen.
    »Lass uns zurückgehen«, sagte Lydia.
    Sie wandten sich um und traten einsilbig den Rückweg durch die schmalen Straßen der Stadt an.
    Der Lastwagen überholte sie. Er war unbeladen und so schnell unterwegs, dass er beim Fahren schlingerte, viel Staub aufwirbelte und übel riechende Abgase produzierte, doch in diesem Moment entdeckten sie direkt vor sich, mitten auf der Straße, einen Handkarren, der umgekippt war und seine Ladung Kohl verloren hatte, unzählige grüne Köpfe, die wie menschliche Schädel in den Rinnstein kullerten. Der Lastwagen hupte und blieb schließlich stehen. Als Lydia und Alexej sich näherten, kurbelte der blonde, junge Fahrer des Lastwagens sein Fenster herunter, beugte sich hinaus und schenkte Lydia ein einladendes Lächeln, wobei er unter den spärlichen Vorboten eines Schnurrbarts eine Reihe vollkommener Zähne entblößte. Er trug eine marineblaue Pudelmütze, die er sich keck über ein Auge gezogen hatte, was ihm einen Hauch von Verwegenheit gab.
    »Du bist so schön«, rief er. »Ty takaja krassiwaja .«
    Lydia spürte, wie Alexej zornig wurde, dennoch blickte sie zu dem Führerhaus hoch und lächelte dem Fahrer als Antwort zu. »Dobry wetscher!« erwiderte sie. »Guten Abend.«
    »Wollt ihr mitfahren?«
    Sie ließ die Frage im Raum stehen und spürte, dass beide Männer neugierig auf ihre Antwort warteten. Alexej hielt immer noch ihre Hand fest, machte jedoch keine Anstalten zu sprechen, sondern schaute betont vor sich auf die Straße, wo einige Passanten halfen, den Gemüsekarren von der Straße zu hieven.
    » Njet . Aber trotzdem danke.« Sie blickte den Fahrer rasch von der Seite an und hörte sein freudiges Lachen.
    Er beugte sich aus seinem Führerhaus herab und hatte dabei etwas Kleines in der Hand, das er ihr durch das Fenster zuwarf. Schimmernd wirbelte es durch die Luft, ehe Lydia es mit ihrer freien Hand auffing. Es war nur eine kleine Metallscheibe, nicht größer als eine Münze, aber auf Hochglanz poliert und hatte den Namen Kolja eingraviert. Der Fahrer winkte ihr zu und fuhr weiter, über die Kohlköpfe hinweg, wobei er ein langes Hupen zum Gruß hinterherschickte.
    »Schätze, von denen hat er für jedes Mädchen, an dem er vorbeikommt, eine in seinem Lastwagen«, murmelte Alexej, und Lydia sah amüsiert, wie sehr ihn das kleine Geschenk offenbar ärgerte. Sie ließ die kleine Scheibe zwischen ihren Fingern hin- und herwandern, und die letzten Sonnenstrahlen tanzten und funkelten auf ihr wie Feuer.
    »Das ist ein Omen«, sagte sie lachend und riss sich die hässliche Mütze vom Kopf, um ihr Haar auszuschütteln.
    Über Omen hatte sie von Chang An Lo einiges gelernt; zum Beispiel, dass die Götter sie als ein

Weitere Kostenlose Bücher