Die Sehnsucht der Konkubine
auf seine Lippen, und er strich mit seinen kleinen Händen das rote Bettlaken vor sich glatt. »Der woscd Sowjetrusslands hat sich getäuscht.«
»Er hat dich unterschätzt, großer Anführer.«
»Du wirst uns zum Sieg führen.«
»Deine Armee wird für dich sterben, wenn du es verlangst.«
Mao nickte zufrieden und ließ seinen Blick zu dem einen Mann wandern, der bislang noch nichts gesagt hatte. »Stimmt das, General Tschu? Wird meine Rote Armee für mich sterben?«
Jeder im Raum starrte jetzt zu dem Mann, den Mao im Kampf um die Kontrolle des Militärs so geschickt ausmanövriert hatte. Tschu war durch und durch Soldat, und seine Männer liebten und respektierten ihn.
»Mein Genosse Kommandant«, brummte Tschu, »die Armee liegt dir zu Füßen. Und viele sind bereits für dich gestorben.«
Schweigen senkte sich über den Raum. Wollte der General damit andeuten, dass Mao in seiner Befehlsgewalt unklug gehandelt hatte? Chang spürte, wie alle fünf anderen Männer erschauderten. Der Gestank ihrer Angst stieg ihm so scharf wie Kuhdung in die Nase. Mao dehnte das Schweigen bewusst aus und hielt dem Blick des Generals so lange stand, bis Tschu gezwungen war, die Augen zu senken, dann griff er nach einem kleinen Messingglöckchen und läutete es. Sofort stand eine Bedienstete im Zimmer. Ihre Verbeugung reichte fast bis zum Boden.
»Tschai« , befahl Mao mit einer geringschätzigen Handbewegung. »Tee.« Während das Mädchen hinauseilte, lehnte er sich in die Kissen zurück und verfolgte mit lüsternem Blick den Schwung ihrer schmalen Hüften. »Vielleicht«, sagte er mit einem plötzlichen Ausbruch von Energie, »hat unser junger Genosse hier ja Recht. Vielleicht lügt Josef Stalin uns an und versucht uns mit dem Lächeln einer Hure zu täuschen, während er noch immer Waffen und russisches Gold unter unseren Gegnern verteilt.«
Wieder schaute Mao zu Chang, studierte nachdenklich diesen jungen Aufsteiger, der so viel zu wissen schien.
»Chang An Lo«, sagte er sanft, »sprichst du eigentlich Russisch?«
SECHZEHN
A l exej bewegte sich. Zuerst nicht viel, nur eine leichte Lageveränderung seines Körpers. Schmerz. Hell und blutig. Er sammelte sich in seinen Lungen und wanderte in kleinen, scharfen Dosen weiter in sein Fleisch. Dermo! Scheiße! Selbst das Denken tat weh. Seine Gedanken fühlten sich an, als würden sie wie Walnüsse ganz langsam zerquetscht, bis ihre Schalen aufplatzten und zersplitterten. Die Stücke bohrten sich in sein Hirn.
»Bist du wach, he?«
Alexej öffnete die Augen. Seine Augäpfel fühlten sich trocken an, wie mit Schmirgelpapier behandelt, als wären sie lange Zeit nicht benutzt worden. Als Erstes sah er gelbes Licht und roch Kerosin. Er lag flach auf dem Rücken, so viel bemerkte er, und als er unter größter Anstrengung den Kopf zur Seite neigte, wurde die Welt um ihn herum ganz allmählich wieder scharf. Eine niedrige, mit Holz verkleidete Decke, ein Tisch, der am Boden festgenagelt war, Schränke mit Schnitzereien, der starke Duft nach Kaffee.
»Kaffee?«
Alexej versuchte, sich aufzusetzen. Keine gute Idee. Der Schmerz in seinen Lungen biss abermals zu, ein heftiger Husten erschütterte seinen Körper, doch jemand stützte ihn mit starkem Arm, und ein tiefes Lachen traf wie ein warmer Luftstrom seine Haut.
»Lass dir Zeit, Genosse.«
Alexej nahm sich Zeit. Wie, in Teufels Namen, bin ich hierhergekommen? Er rutschte ein Stück in der schmalen Koje hoch, so dass er den Kopf an der Rückwand abstützen konnte. Jemand hatte in seiner Brust ein Höllenfeuer entfacht.
»Spassibo« , murmelte er. Seine Kehle war so trocken wie Asche.
Er richtete den Blick auf den blonden Mann, der auf der Bettkante saß, und sah ein Gesicht mit gleichmäßigen Zügen, doch in den blauen Augen stand Unschlüssigkeit. Die Wimpern waren ein wenig zu lang für einen Mann, aber er hatte große, männliche Zähne und volle Lippen, die dem Lachen offenbar nicht abgeneigt waren. Mitte vierzig, vielleicht ein wenig jünger.
»Spassibo« , sagte Alexej noch einmal, und diesmal klang es schon etwas kräftiger.
»Gern geschehen, mein Freund. Bereit für Kaffee?«
Alexej nickte, bedauerte die schnelle Kopfbewegung sofort und wartete, bis sich der Raum um ihn herum nicht mehr drehte. Der Mann ging zu einem Ofen in der Ecke und hob eine Kaffeekanne hoch, die dort warm gehalten wurde. Erst in diesem Moment dämmerte es Alexej, dass diese neue Welt um ihn herum schwankte. Die Bewegung war nicht in seinem
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