Die Sehnsucht der Konkubine
ab, plötzlich stocknüchtern, und machte eine tiefe, respektvolle Verbeugung vor ihm. »Es ist mir eine Ehre, dass ein Erwählter wie du die Zeit findet, sich mit einem unwürdigen Armeeköter wie mir abzugeben.«
Stimmen auf der Hauptstraße riefen Biaos Namen. Man suchte nach ihm. Chang packte ihn an der Schulter und führte ihn von den baumelnden Lampions weg.
»Biao«, sagte er drängend. »Meine Zeit ist kurz. Ich muss zu meiner Eskorte zurück, bevor sie aufwacht.«
Biao nickte. »Ich höre.«
»Ich bin hier, um dich zu bitten, mein Adjutant zu sein.« Forschend blickten seine Augen in das Gesicht seines Freundes, und was er sah, freute ihn. Erregung funkelte in Hu Biaos Augen. »Gut. Ich sage der Eskorte, sie soll dich für morgen anfordern.«
Ihre Blicke begegneten sich, und etwas an Biao war plötzlich anders. »Das machst du für Si-qi, stimmt’s? Nicht für mich. Hat sie dich darum gebeten?«
»Nein. Das hat nichts mit deiner Schwester zu tun.« Er lächelte und schenkte Biao eine weitere Verbeugung. »Glaub mir, die Zeiten sind hart. Ich brauche einen guten Mann, der mir den Rücken freihält und auf den ich mich verlassen kann. Und dieser Mann bist du.«
»Aber für mich ist es ein Glück, eine schöne Schwester zu haben. Sie könnte die Seele eines jeden Mannes stehlen, stimmt’s?«
»So leicht, wie ein Schmetterling Nektar aus einer Blüte stiehlt.«
Biao schlug Chang auf den Rücken und gab einen üblen Rülpser von sich. »Nach dem hier wird sie dich für immer lieben. Und das willst du doch, oder?«
Chang An Lo zog sich ins Dunkel zurück, und als Biao noch etwas sagen wollte, war er bereits verschwunden.
Damit hatte Chang An Lo nicht gerechnet. Mit dieser Dekadenz. Trotz alldem, was man in der drückenden Hitze hier so munkelte, ein Wispern und Flüstern, das klang wie das Flattern von Fledermausflügeln an einem Sommerabend, war es schlimmer als erwartet. Ihm sank der Mut, denn zum ersten Mal wurde ihm bewusst, dass der Anführer der Kommunistischen Bewegung Chinas tatsächlich ein Mann sein könnte, der sich gehen ließ.
Mao Tse-tung lag entspannt auf einem riesigen Himmelbett. Sein großer Kopf, der durch die Geheimratsecken noch größer wirkte, ruhte schwer auf einem Stapel Kissen, als wären die Gedanken in diesem Schädel zu gewichtig, um von dem kurzen, gedrungenen Hals getragen zu werden. Auf allen Seiten des Himmelbettes ergossen sich reich bestickte, leuchtend türkisfarbene und rosa Seidenbaldachine über das Bett, während die Laken um ihn herum offenbar bewusst in Scharlachrot, der Farbe der kommunistischen Flagge, gehalten waren, als sollte der Anschein erweckt werden, ihr großer Führer habe für die Sache sein Blut vergossen. Doch Chang wusste es besser. Wenn Mao mit seinen Armeen unterwegs war, genoss er stets ein Ausmaß an Komfort und Bequemlichkeit, von denen seine Soldaten nur träumen konnten.
Mao beobachtete die zu ihm Gerufenen mit zusammengekniffenen, wachsamen Augen, während er das Treffen in seinem Schlafzimmer leitete. Man hatte das riesige Bett auf eine Art Empore gestellt, so dass sich sein Kopf selbst im Liegen über den nervösen Männern befand, die auf den sieben Stühlen um ihn herumsaßen. Die Stühle waren elegant, aber bewusst hart gewählt und standen mindestens zwei Meter von den seidenen Bettüberwürfen entfernt, damit die Sitzenden die Ohren spitzen mussten, wenn Mao beschloss, die Stimme zu senken.
Die Atmosphäre war angespannt. Chang fiel auf, dass dem Offizier neben ihm der Schweiß in einem kleinen Rinnsal an der Schläfe herunterlief, und hegte keinen Zweifel daran, dass das auch Mao nicht entgangen war. Mao hatte von Männern wie General Tschu die Macht übernommen, einer mürrischen Gestalt, die die ganze Zeit schwieg, was ebenso klug wie tollkühn war. Männer folgten Mao, weil er zwar nur ein Schullehrer war und die schlichte Kleidung der Bauern trug, dabei aber überaus geschickt war, Menschen und Situationen zu manipulieren. Vor allem jedoch wusste er zu siegen. Chang musste sich selbst dazu ermahnen, nicht auf das weiche Mondgesicht und den groben Bauerndialekt hereinzufallen, den Mao sprach. Dieser Mann ließ sich von niemandem für dumm verkaufen. Er hatte nicht das geringste Problem damit, seine eigenen Leute zu terrorisieren. »Macht«, hatte er einmal gesagt, »kommt aus dem Lauf eines Gewehrs.« Chang atmete sogar flacher, um ja nicht auch nur das geringste Kräuseln in den Gedankenstrom des großen Mannes zu
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