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Die Sehnsucht der Krähentochter

Die Sehnsucht der Krähentochter

Titel: Die Sehnsucht der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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und zugleich mit der Spannung einer
angezogenen Bogensehne.
    Nach wie vor mieden sie
freie Ebenen. Sie bewegten sich im Schatten der Bäume, ohne die Pferde überaus
anzustrengen, ohne überflüssige Worte, so leise wie möglich. Der Nachmittag
begann mit dem Aufziehen einiger neuer dunkler Wolken. Eine schwere Feuchte lag
in der Luft.
    Sie legten eine kurze
Rast ein, tranken Wasser, und der Mann drängte Bernina dazu, noch etwas von dem
getrockneten Fleisch zu essen.
    »Es riecht nach Regen«,
meinte Bernina kauend.
    Nils Norby spähte in den
Himmel und widersprach: »Nein. Heute wird es trocken bleiben.«
    Der voranschreitende Tag
schien ihm recht zu geben. Zu Berninas Überraschung kam sogar wieder die Sonne
durch. Als sie Teichdorf schon ziemlich weit hinter sich gelassen hatten,
erreichten sie eine versteckt gelegene Lichtung. Hohe Gräser, Gänseblümchen.
Die Bäume gaben den Blick frei auf einen Teich, an dessen Ufer wilde Beeren
wuchsen.
    »Ein schönes Plätzchen.
Ich denke, wir können es wagen, ein Feuer zu machen.« Der Wolfsjäger sprang vom
Pferd und begann bereits, herumliegendes Holz aufzusammeln.
    »Wenn Sie meinen.«
Bernina glitt aus dem Sattel.
    »Es würde mich wundern,
wenn die Männer uns immer noch verfolgen. So wichtig können Sie für die doch
nicht sein, oder?«
    »Wundern würde mich das
auch.« Sie hob kurz die Achseln. »Ich hoffe, es genügt Pfarrer Blum, dass er
mich einfach los ist. Nur was ich jetzt tun soll, wohin ich gehen soll, ist mir
immer noch nicht klar.«
    »Was hat der Pfarrer
gegen Sie? Glaubt er wirklich, Sie seien eine Hexe?«
    Norby hatte bereits ein
Feuer entzündet und eine Decke für sie ausgebreitet, auf der er nun Platz nahm.
Nachdem Bernina sich um die Pferde gekümmert hatte, setzte sie sich neben ihn
und ließ dabei einen angemessenen Abstand.
    »Blum hält mich wohl in
seinem blinden Wahn tatsächlich für eine Hexe. Und trotzdem …« Nachdenklich lenkte
sie ihren Blick in die züngelnden Flammen. »Da steckt noch mehr dahinter. Er
sagte mir, dass man mich enteignet hat.«
    »Ja, das ist mir auch
aufgefallen«, warf er ein. »In Teichdorf hatten einige Leute, die über recht
viel Besitz verfügen, plötzlich Schwierigkeiten.«
    »Was wissen Sie über
diese spanischen Soldaten?«
    »Nennen wir sie lieber
Söldner.« Er lächelte schmal. »Ich weiß nicht viel über sie. Aber das muss ich
auch nicht. Es gibt etliche solcher Männer. Die Jahre dieses endlosen Kriegs
haben sie über die Lande verstreut, und nun verleihen sie ihre Waffen an den,
der gerade am meisten bezahlt. Teichdorf ist nicht die einzige Ortschaft, die
für ihren Schutz bluten muss. Solche Söldner lassen sich belohnen, und zwar
nicht billig.«
    »Das ist mir auch klar.
Aber für meine Begriffe geht das, was in Teichdorf geschieht, viel zu weit.«
    »Sicher, so ist es. Doch
wenn der Glaube und das Schwert sich vereinigen, dann kann man sich schon mal
mitten in der Hölle wiederfinden.« Leiser fügte er an: »So, wie das Ihnen
passiert ist.«
    Bernina sah weiterhin
ins Feuer. »Ja, ich muss zur Ruhe kommen. Ich weiß noch nicht einmal, wie ich
gegen dieses Unrecht angehen kann. Man darf mir doch nicht einfach meinen
Besitz wegnehmen.«
    »Die Kirche kann ein
allzu mächtiger Gegner sein. Und Blum vertritt die Kirche. Auf ihn kommt es
an.«
    Schweigen trat ein,
jeder von ihnen blickte vor sich hin. Später holte der Wolfsjäger aus seiner
Satteltasche Fleisch, Brot und getrocknete Früchte. Sie aßen in aller Stille,
umgeben vom Wald, beobachtet nur von der Sonne, die sich ein Stück weiter
durchgekämpft hatte. Nach einem letzten Bissen sagte Bernina: »Es ist sehr nett
von Ihnen, mit mir Ihre Vorräte zu teilen.«
    »Wirklich nicht der Rede
wert.« Norby winkte ab.
    »Ich hoffe, ich kann das
wieder gutmachen.«
    »Verschwenden Sie keine
Gedanken daran.«
    »Aber eines müssen Sie
mir noch sagen.« Bernina sah ihn an. »Ich hatte Sie ja vorhin schon einmal
gefragt, warum Sie noch in der Nähe waren. Obwohl Sie Teichdorf doch verlassen
wollten.«
    »Schon richtig, ich
wollte weg.« Er strich über seinen Schnurrbart. »Doch irgendwie schien auch ich
nicht so recht zu wissen, wohin. Oder ich hatte es nicht sonderlich eilig.«
    Bernina
musste lächeln. »Klingt nicht gerade sehr überzeugend.«
    Auch
er lächelte. »Möglich.«
    »Und
noch etwas wollte ich von Ihnen wissen: Was war Ihre Absicht, als Sie kürzlich
bei mir auf dem Hof aufgetaucht sind? Oder ganz in der Nähe des Hofes. Sie
zügelten

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