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Die Sehnsucht der Krähentochter

Die Sehnsucht der Krähentochter

Titel: Die Sehnsucht der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Ihr Pferd auf dem Hügel, und dann ritten Sie einfach davon.«
    Ein
lässiges Schulterzucken. »Ich hörte Ihren Namen auf einmal an jeder Ecke
Teichdorfs. Den ganzen Tag über. Blum schien ziemlich aufgebracht zu sein –
wegen der Sache, die auf dem Weizenfeld passiert war. Ich war gerade bei ihm,
um ihm mitzuteilen, dass ich ihm nicht mehr zur Verfügung stehen würde, weder
als Henker noch als Wolfsjäger. Dass mir die Gegend nicht besonders zusagen und
ich deshalb verschwinden würde.«
    »Und
weiter?«
    »Also ritt ich los, fort
von Teichdorf. Inzwischen wusste ich, wo in etwa Ihr Hof sich befindet.« Es
schien, als würde er seine Worte genau abwägen. »Ich hatte mich nicht
entschieden, aber der Gedanke, Sie zu warnen, spukte mir im Kopf herum. Ich
dachte darüber nach, Ihnen zu sagen, dass Ihr Name gerade in aller Munde war.«
    »Dann beschlossen Sie
jedoch, sich herauszuhalten.« Bernina sagte es nicht herausfordernd, sondern
ganz nüchtern.
    »Genauso war es. Ich
sagte mir, was soll ich mich einmischen. In all das, was in dem verrückten Dorf
vorgeht. Ich hatte vielmehr das Gefühl, dass es höchste Zeit war, dieses Nest
zu verlassen.«
    »Was mich noch
interessieren würde …«
    »Ja, ja, die Neugier der
Frauen«, zwinkerte er ihr zu.
    Aber sie sprach ruhig
weiter: »Wieso wollten Sie Blum Ihre Dienste nicht mehr anbieten? So plötzlich?
Das haben Sie mir noch nicht gesagt.«
    »Er meinte zu mir, ich
solle mich wieder bereithalten. Sie verstehen schon. Ich meine, nicht als
Wolfsjäger.«
    »Sondern als Henker.«
    »Das war ja der
Auslöser: Von da an stand mein Entschluss fest. Nämlich das Weite zu suchen.«
Er legte etwas Holz nach, und das Feuer knisterte.
    »Und die Wölfe?«
    »Ich habe schon ein paar
Aufgaben in meinem Leben unvollendet lassen müssen. Das war eben nur eine
weitere. Einige von ihnen habe ich ja zum Glück erwischt. Mit dem Pfeil. Und
vor allem mit der Wolfsangel.«
    »Ist das dieses Eisen?
Ich sah es im Wald.«
    »Ja, in Ihrer Gegend ist
es noch ziemlich unbekannt. So fiel es mir wohl auch leichter, die Leute zu
beeindrucken.«
    »Sie wollten mich also
warnen?«, fragte sie noch einmal.
    »Ja.«
    »Aber Sie taten es dann
doch nicht.«
    »Wie gesagt, ich
beschloss, mich herauszuhalten.«
    Sie blickte ihn an.
»Aber Sie hielten sich nicht heraus, und zwar als die Männer mich verfolgten
und im Wald stellten.«
    Norby äußerte kein Wort.
    »Jedenfalls sind Sie
recht geschickt, wenn es darum geht, sich vor einer Antwort zu drücken.«
    »Wie meinen Sie das?«,
antwortete er mit breitem Lachen. »Ich gebe Ihnen jetzt doch schon eine ganze
Weile brav Auskunft.«
    Bernina schüttelte den
Kopf. »Warum haben Sie sich wirklich geweigert, weiterhin als Henker zu
arbeiten?«
    »Wissen Sie, Bernina, es
ist so.« Es war das zweite Mal, dass er ihren Namen aussprach. »Damals im Wald,
bei dem toten Wolf, da haben Sie mich ins Grübeln gebracht, das gebe ich zu.«
    »Das soll ich Ihnen
glauben? Ein paar deutliche Worte haben bewirkt, dass Sie …«
    »Ich weiß, im Grunde
waren es nur ein paar deutliche Worte«, unterbrach er sie. »Aber es kommt eben
darauf an, was wirklich in solchen Worten steckt. Und wie sie ausgesprochen
werden. Und vielleicht auch, von wem.«
    Seine Augen suchten sie,
aber sie erwiderte seinen Blick nicht.
    »Wie dem auch sei«,
meinte sie bloß. »Jedenfalls finde ich es gut, dass Sie Ihr Tun überdacht
haben.«
    »Nicht nur überdacht,
ich habe damit Schluss gemacht.« Im Sitzen straffte er seinen Oberkörper.
»Vorher habe ich mich einfach treiben lassen. Schon zu lange. Es wird Zeit,
dass ich wieder einen klaren Kopf bekomme.« Fast schien er zu sich selbst zu
sprechen. »Und dass ich diesen verdammten Schädel auch wieder zum Denken
gebrauche.«
    Der Nachmittag neigte
sich dem Ende zu. Die Sonne hatte nur noch wenig Kraft. Ein erster Anflug von
Dunkelheit. Bernina und der Wolfsjäger entschieden, dass es zu spät war, um
nach Ippenheim weiterzureiten.
    »Das ist ein gutes
Plätzchen«, sagte er noch einmal. »Und offenbar ein sicheres. Wir werden morgen
früh den Weg in die Stadt fortsetzen.«
    Bernina erhob sich von
der Decke. Sie sah kurz an ihrem von Dreck verschmierten, zerrissenen Kleid
herab. »Ich habe mich noch nie so schmutzig gefühlt.«
    »Eine Badewanne habe ich
leider nicht für Sie in meinen Taschen.«
    »Ich möchte ein wenig
allein sein«, sagte sie und schritt auf den Teich zu, dessen glatter
Wasserspiegel, teilweise verborgen von Sträuchern und

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