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Die Sehnsucht der Krähentochter

Die Sehnsucht der Krähentochter

Titel: Die Sehnsucht der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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und
etwas Hartwurst zurückkam, erwartete sie, die junge Frau nicht mehr
anzutreffen. Doch dem war nicht so. Hungrig starrte die Fremde auf das Essen.
Sie griff danach und biss sofort ein riesiges Stück aus der Wurst heraus.
    »Dieses Versteckspiel
bei Dunkelheit ist nicht nötig«, erklärte Bernina. »Ich werde mit Meister
Schwarzmaul sprechen. Wenn es dir schlecht geht, wenn du nicht weißt, wohin du
sollst, kann ich ihn überzeugen, dir zu helfen. Er ist kein Unmensch, er hat
mir selbst in großer Not geholfen.«
    »Nein«, sagte die Frau
rasch und verschluckte sich dabei fast. »Bitte nicht! Dieser Herr hält nicht
viel von mir. Anderen würde er vielleicht helfen, nicht aber mir.«
    »Woran liegt das?«
    »Das möchte ich«, kam
zögerlich die Antwort, »lieber nicht sagen.«
    »Und woher kennst du
Pierre?«
    »Ach, der kleine Pierre.
Er hat ein so gutes Herz. Ich stellte mich bei seinem Meister vor und bat um
eine Anstellung als Küchenfrau. Leider war Schwarzmaul sehr unfreundlich. Er
hätte zwar jemanden gebraucht, mich allerdings jagte er trotzdem zum Teufel.
Aber Pierre hat mich so traurig angesehen. So wartete ich, bis Schwarzmaul
einmal nicht da war. Ich kam zurück und unterhielt mich mit Pierre.« Sie
lachte. »Ich redete mit dem Mund, er mit den Augen. Von da an kam ich öfter.
Allerdings nur bei Nacht. Damit Schwarzmaul nichts von mir erfährt.«
    Sie sprach nicht mit dem
Zungenschlag der Menschen von Braquewehr, sondern eher so wie Bernina.
    »Du kommst von der
anderen Seite des Rheins. Genau wie ich. Das stimmt doch, oder?«
    Die Antwort war ein
vages Nicken. »Irgendwie schon. Aber eigentlich komme ich von nirgendwo.«
    »Ich heiße Bernina.«
    »Irmtraud.«
    Bernina verschränkte die
Arme vor der Brust. Sie wusste nicht recht, was sie von dieser Frau halten sollte.
Aber die Not, in der die Fremde steckte, war offensichtlich. »Ich mache dir
einen Vorschlag. Übermorgen ist Meister Schwarzmaul den ganzen Tag unterwegs.
Er muss wegen einiger Aufträge nach Schlettstadt und wird wohl über Nacht
fortbleiben. Dann kommst du hierher, und wir werden uns unterhalten.«
    Sie erhielt einen
verblüfften Blick. »Und Schwarzmaul? Werden Sie ihm wirklich nichts …«
    »Er wird nichts von
unserer Abmachung erfahren.«
    »Warum wollen Sie das
tun?« Da war schon wieder dieses Misstrauen in den Augen.
    »Ich kenne dieses
Gefühl: Wenn man am Ende ist und nicht mehr weiter weiß.« Sie nickte ihr zu.
»Wir treffen uns übermorgen.«
    Die Frau sah sie noch
immer mit dieser Mischung aus Zweifel und Überraschung an. »Ich weiß nicht, ob
ich kommen werde.«
    »Das liegt ganz bei
dir.«
    Mit verhaltenem Lächeln
verfolgte Bernina, wie die Fremde langsam in der Dunkelheit verschwand und
immer wieder zu ihr zurückblickte.
    Der nächste Tag
verstrich ruhig. Bernina arbeitete in der Küche und in der Werkstatt.
Gelegentlich wurde sie von Pierres Blicken erreicht, der zu ahnen schien, dass
er in der Nacht irgendetwas verschlafen hatte. Der Goldschmied war die ganze
Zeit über beschäftigt, seine Reise nach Schlettstadt vorzubereiten. Das
Abendessen wurde wesentlich schweigsamer eingenommen als am Tag zuvor.
    Als der neue Morgen
heraufzog, spannte Schwarzmaul den Esel vor den Wagen. Vom Werkstattfenster aus
sah Bernina ihm zu, wie er langsam davonfuhr. In Gedanken war sie bei Irmtraud.
Sie war unsicher, ob die junge Frau kommen würde oder nicht.
    Am Nachmittag zerfetzte
erneut Gewehrfeuer die über den Dächern Braquewehrs liegende Ruhe. Gewehrfeuer,
das lauter wurde und sich näher an den Ort heranzuschieben schien, bedrohlich
nahe. Dann verstummte es wieder. In den Gebäuden wurde der Atem angehalten. Man
konnte die Spannung spüren, die sich in den Gassen ausbreitete wie zuvor der
Nebel. Bernina und Pierre wechselten einen langen sorgenvollen Blick, bevor sie
mit den Arbeiten fortfuhren, die Schwarzmaul ihnen aufgetragen hatte.
    Es war am späten
Nachmittag, als auf einmal das Klopfen ertönte. Pierre sah auf, als könnte er
es nicht glauben. Bernina lächelte ihn an. »Das hört sich an, als würde uns
deine Bekannte einen Besuch abstatten.«
    Der arme Junge wäre vor
Scham fast im Boden versunken.
    »Keine Bange«,
versicherte ihm Bernina rasch. »Sie wird unser Geheimnis bleiben.«
    Zögernd folgte Irmtraud
Bernina in die Küche, mit denselben misstrauischen Blicken wie in der Nacht.
Die junge Frau versuchte, in jeden Winkel des Hauses zu spähen, als befürchte
sie, Meister Schwarzmaul würde aus einem

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