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Die Sehnsucht der Krähentochter

Die Sehnsucht der Krähentochter

Titel: Die Sehnsucht der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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zu
füllen.«
    »Nimm das alles nicht zu
leicht«, meinte Anselmo mit warnendem Unterton.
    Ist es das, was ihn so
beschäftigt?, fragte sich Bernina.
    Doch eine eigenartige
Ahnung sagte ihr, dass es noch etwas anderes gab, das Anselmos Gedanken
beherrschte. Etwas ganz anderes.
    »Nimm es nicht zu
leicht«, wiederholte er leise, als sie nicht antwortete.
    Sie hob kurz die
Achseln. »Du magst recht haben. Trotzdem denke ich vor allem an Mutter. Seit
Egidius Blum so deutlich gezeigt hat, was es für ihn heißt, seinen Glauben zu
vertreten, wird mir angst und bange.«
    »Er will seinem Kardinal
beweisen, was für ein guter Streiter des Herrn er ist. Dass er gegen Hexerei
vorgeht und dabei vor nichts zurückschreckt.« Anselmos Stimme klang wie in der
Nacht zuvor. Als würde er die Worte ausspucken, mit dieser schwelenden Wut, die
auch Bernina in sich verspürte.
    »Das ist Blum jedenfalls
bestens gelungen«, stieß sie mit erneuter Bitterkeit hervor.
    »Merkwürdig nur, welche
Menschen gestern dran glauben mussten. Zuerst dachte ich, man hätte es auf ein
paar schutzlose Seelen abgesehen. Auf Opfer, die sich kaum wehren konnten, die
keine Unterstützung hatten.«
    »Wie meine Mutter«, warf
sie trocken ein.
    »Ja, richtig«, erwiderte
Anselmo in aller Offenheit. »So etwas ist vor Kurzem auch in Gundelfingen
geschehen. Als die Angst ausbrach, als die Menschen die Nerven verloren.
Gerüchte über den Krieg und das schlechte Wetter, das die Aussicht auf eine
gute Ernte zerstörte. Auf einmal standen ein paar Schweinehirtinnen im
Verdacht, nachts Hexenrituale durchzuführen. Was folgte, war ein Folterverhör,
durch das man den Hirtinnen Geständnisse und Namen weiterer Frauen abrang, die
ebenso wenig Hexen waren wie sie selbst. Dann brannten die Scheiterhaufen.«
    »Und du denkst, hier war
es anders?«
    Seine Stirn legte sich
in Falten. »Du hast gesehen, wen es gestern Nacht traf. Das waren Leute, die im
Dorf einiges galten, die man nicht so einfach als Hexen denunzieren konnte.
Eine der Frauen war sogar mit dem Schultheiß verwandt. Einer der Männer ein
Freund von ihm.«
    »Deshalb hast du vorhin
mein Erbe erwähnt.« Bernina sah ihn an. »Oder?«
    Anselmo blickte an ihr
vorbei. »Ach, ich weiß auch nicht.« Er lächelte irgendwie traurig. »Es waren
erstaunlich angesehene oder wohlhabende Leute. Und das kommt mir seltsam vor.«
    »Wir hätten ihnen helfen
müssen«, sagte sie dumpf.
    »Nicht die kleinste
Chance hätten wir gehabt«, widersprach er sofort. »Und das weißt du genauso gut
wie ich.«
    »Ich habe die ganze
Nacht lang gesehen, wie sie starben. Immer und immer wieder.«
    Anselmo schwieg.
    »Und dieser Henker«,
fuhr Bernina fort. »Auch er hat mich in der Nacht verfolgt. Wie kann ein Mensch
bloß zum Henker werden? Wahrscheinlich genießt er seine mörderische Aufgabe
auch noch.«
    »Der nicht.«
    Verdutzt sah sie ihn an.
»Woher willst du das wissen?«
    »Hast du bemerkt, wie er
sich kurz an den Gefangenen zu schaffen gemacht hat? Bevor sie getötet wurden?«
    Sie nickte und wartete,
dass er fortfuhr.
    »Er hat ihnen kleine
dünne Säckchen mit Schwarzpulver um den Hals gebunden. Ein einziger Funken des
Feuers an diesem Sack genügt. Der Tod kommt dann ganz schnell.«
    »Bist du dir sicher?«
    »Ja, Bernina, der Henker
hat ihre Leiden zumindest verkürzt.«
    Bernina wechselte einen
langen Blick mit ihm. Wortlos ließen sie etwas Zeit verstreichen. Dann meinte
Anselmo mit wieder leichterer Stimme: »Wenigstens können wir von niemandem
gezwungen werden, dieses Fest zu besuchen.«
    »Aber ich möchte hin«,
erwiderte Bernina lapidar.
    Verblüfft blickte er sie
an. »Wieso denn das?«
    »Ich kann es selbst
nicht genau erklären.« Bernina fuhr sich durch ihr Haar und schüttelte
unschlüssig den Kopf. »Aber ich will nicht einfach so die Augen verschließen.
Ich will nicht hier sitzen und so tun, als würde mich das alles nichts angehen.
Ich lebe hier!« Sie fühlte, wie etwas in ihren Augen aufblitzte. »Ich habe
zugesehen, wie sie töten, dann kann ich auch zusehen, wie sie feiern. Sie sollen
merken, dass ich da bin, und sie werden in jedem meiner Blicke erkennen, was
ich von ihnen halte.«
    Fasziniert, mit einem
angedeuteten Lächeln ließ Anselmo ihre Worte auf sich wirken. »Weißt du was?
Das ist es, was ich ganz besonders an dir liebe.«
    Bernina erwiderte
nichts.
    Er betrachtete ihre
schlanke, anmutige Gestalt wie in jenem Moment, als sie sich zum ersten Mal
begegnet waren. »Also gut, dann lass uns

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