Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition)
darin haben wir keine Wahl. Wir sind wie zwei Magneten, die nicht auseinandergerissen werden können.«
»Na toll. Ich weiß nichts über dich, außer, dass ich dich eigentlich nicht mal mit nach Hause nehmen und meinen Eltern vorstellen kann. Und in meiner Familie stehen sich alle sehr, sehr nahe, sollte ich vielleicht hinzufügen.«
»Tatsächlich? Das war mir noch gar nicht aufgefallen«, spöttelte Traian.
Dann brachte er Joie in die schmale Öffnung eines Tunnels, der nach links führte und Traians ursprünglichem Plan entsprach, sich links zu halten, um einen Ausweg aus dem Labyrinth zu finden.
»Du kannst mich ruhig zu deinen Eltern mitnehmen«, sagte er in leisem, aufrichtigem Ton, während er Jubal und Gabrielle durch einen engen Tunnel folgte. »Ich würde dich nie in Verlegenheit bringen oder ihnen Angst einjagen. Und ich möchte sie wirklich sehr gern kennenlernen, denn jeder, der dir wichtig ist, ist es mir auch.«
Joie versuchte, ihr Herz davor zu bewahren durchzudrehen. Sie war kein junges Mädchen mehr, sondern eine erwachsene Frau. Kein Mann dürfte eine solche Wirkung auf sie haben, aber Traian hatte sie. Seine Stimme war geprägt von einer Aufrichtigkeit und Offenheit, die sie zutiefst bewegten. Sie wusste so gut wie nichts über ihn, nicht einmal, was er wirklich war, und trotzdem wusste sie schon alles. Wie zum Beispiel, was für eine Art von Mann er war. Es war ein rein instinktives Wissen und das Einzige, dessen sie sich sicher war.
»Wo ist deine Familie?«, fragte sie.
»Ich habe nur mein Volk. Meinen Prinzen.« Traians Augen waren tiefschwarz im sanften Schein der Stirnlampe. »Meine Familie bist jetzt du. Und auch dein Bruder und deine Schwester sind meine Familie geworden.« Er zog eine seiner dunklen Augenbrauen hoch. »Und dabei sind wir uns gerade erst begegnet. Für dich muss das ein sehr seltsames Konzept sein, doch für mich ist es etwas vollkommen Natürliches. Seelengefährten sind zwei Personen, die sich begegnen und zusammen sein müssen, zwei Hälften eines Ganzen – in deiner Welt würde man es verheiratet nennen, aber bei uns ist es viel mehr als das. Seine Seelengefährtin zu finden ist etwas, wovon jeder Karpatianer träumt. Er ersehnt es sich heiß, und deswegen kämpft er, um unsere Welt zusammenzuhalten. Doch leider erlangen nur wenige von uns je einen solchen Schatz. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal ein so weltbewegendes Erlebnis haben würde.«
»Bist du enttäuscht, weil ich nicht bin, was du erwartet hattest?«
Traian senkte den Blick auf sie. »Du verstehst das Konzept von Seelengefährten noch nicht. Ich bin überrascht, ja sogar schockiert von der Vorstellung, eine menschliche Seelengefährtin zu haben, aber enttäuscht? Oh nein, das könnte ich gar nicht sein. Wir sind füreinander geschaffen, Joie. Wir vervollständigen einander. Du bist faszinierend für mich und wirst es immer sein.«
Das hörte sie gern, weil auch sie sich nicht vorstellen konnte, seiner jemals müde zu werden. Sie brauchte das Auffinden und Entdecken neuer Orte, die es zu erforschen galt; es war ebenso lebensnotwendig für sie, wie es das Atmen war. Deshalb konnte sie auch nur mit einem Mann zusammen sein, der Herausforderungen begrüßen würde, und Traian hatte bereits bewiesen, dass er diesen Anforderungen mehr als nur gewachsen war.
Der schmale Gang verbreiterte sich und mündete in eine Kammer, die sich anscheinend zu einer weiteren Galerie erweiterte. Jubal und Gabrielle standen dort mit besorgten Mienen beieinander und warteten auf Joie. Als Traian sie vorsichtig auf festem Boden absetzte, kamen die beiden auf sie zugerannt, umarmten sie stürmisch und drückten sie erleichtert an sich.
»Was zum Teufel ist passiert?«, fragte Jubal dann. »Ich wusste, dass irgendetwas nicht in Ordnung war, als wir eine sichere Öffnung suchten und Traian plötzlich so außer sich geriet, wie ich es bei jemandem wie ihm niemals erwartet hätte.«
»Aber er wollte uns nicht sagen, was los war«, fügte Gabrielle mit einem vorwurfsvollen Blick auf den Karpatianer hinzu.
Jubal tastete seine Schwester ab. »Bist du verletzt?«
Joie schüttelte den Kopf. »Nein, doch da drüben war eine scheußliche Kreatur mit Giftzähnen und parasitären Würmern.« Sie schaute ihre Schwester an. »Sie sahen aus wie Maden, nur viel schlimmer.«
Gabrielle wirkte mehr neugierig als erschrocken. »Hast du mir eine Probe mitgebracht?«
»Tut mir leid, aber daran habe ich nicht gedacht«, sagte Joie
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