Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition)
Schemen langsam zu. Hinter ihm tauchte ein dunklerer Schatten auf, mit einem noch hässlicheren Schädel als die anderen, straff gespannter, pergamentartiger Haut, blutbefleckten Zähnen und rot glühenden Augen.
Pass auf!
Joie warf sich auf Traian. Ihr Schwung brachte sie beide von dem Vampir weg und zur äußeren Wand der Höhle. Traian hielt Joie fest in den Armen, als er sich mit ihr über den Boden rollte und sie durch den dichten Nebel brachte. Sie spürte die Feuchtigkeit auf ihrer Haut, und obwohl der Dunst die Geräusche dämpfte, bewegte sich doch noch immer etwas in all den weißen und grauen Nebelschwaden.
Traian zog sie behutsam auf die Beine. Verhalt dich still! Ganz still! , warnte er.
Joie blickte sich vorsichtig um. Eine Reihe von Waffen schmückte die nächstgelegene Nische. Glitzernde Edelsteine zierten gefährlich aussehende Messer und lange Speere und Schwerter. Das hier war eine regelrechte Fundgrube für Joie. Sie fühlte sich zu den Waffen hingezogen, aber irgendetwas hielt sie zurück, ein fein eingestelltes Warnsystem, das sie veranlasste, die Hände hinter den Rücken zu legen und die Waffen zu ignorieren.
Traian sah dem schwarzen Schatten, der sich aus dem Nebel löste, ruhig entgegen. »Die Stunde der Gerechtigkeit ist da, Valenteen«, sagte er zu dem Meistervampir. »Ein Schattenkrieger ist erweckt worden und will jetzt unser aller Tod. Bekämpfen wir uns da noch gegenseitig?«
Valenteen knurrte böse, schüttelte jedoch den Kopf und wich vor der großen, in Rauch gehüllten Kreatur zurück, die aus den Schatten trat.
Joie umklammerte von hinten Traians Hemd und spähte an ihm vorbei auf die Erscheinung, die er als Schattenkrieger bezeichnet hatte. Joie erkannte jetzt, dass sie substanzlos war und aus sich ständig veränderndem schwarzen und grauen Rauch bestand. Ihre Augen glühten in einem unheimlichen Rot, doch sie waren nicht wie die blutunterlaufenen Augen der Vampire, sondern von lodernden Flammen erhellt. Das strenge Gesicht, das sie hin und wieder erkennen konnte, hatte etwas sehr Edles, als wäre die Gestalt der Geist eines Kriegers aus längst vergangenen Zeiten, der für Ehre und Recht gekämpft hatte.
Ich hätte nichts dagegen, jetzt wieder aufzuwachen. Wenn der Vampir ihn fürchtet, in wie großen Schwierigkeiten stecken wir dann erst?
Traian griff hinter sich und legte die Finger um ihr Handgelenk. Sehr sanft, kaum merklich, aber selbst dieser Hauch einer Berührung genügte schon. Sie waren zusammen; das war das einzig Wichtige. Er würde sie vor dem Schattenkrieger und vor den Vampiren beschützen.
Kannst du ohne mich hier herauskommen? , fragte sie, weil ihr plötzlich der Gedanke kam, dass Traian seine Gestalt verändern und vielleicht sogar ebenso substanzlos werden konnte wie der Nebel. Oder sich durch Eis und Erde graben konnte, wie die Vampire es getan hatten. Er hatte gewusst, dass sie eine Behinderung für ihn darstellte, deshalb hatte er ihr gesagt, sie solle mit den anderen gehen. Traian? Könntest du ohne mich hier herauskommen?
Die Vampire verflüchtigten sich und hinterließen eine Pfütze aus schwarzem Glibber, der blubberte und brodelte und eine giftige dunkle Flüssigkeit nach dem Schattenkrieger spuckte. Joie hielt den Atem an. Eine seltsame Stille entstand. Ein eisiger Luftzug fegte den Gestank aus der Kammer und stieß die substanzlose Erscheinung von Joie und Traian weg.
Es spielt keine Rolle, ob ich es könnte. Ich würde dich nie im Stich lassen. Traians ruhige, feste Stimme war überaus ermutigend.
Trotzdem bekam Joie einen trockenen Mund. Jubal und Gabrielle sind noch in der Höhle. Wenn die Vampire sie finden … meine Geschwister können sich nicht vor den Vampiren schützen.
Beide Vampire sind hier im Raum geblieben. Sie werden weder gehen noch sich bewegen, um dem Krieger nicht ihre Anwesenheit zu verraten. Außerdem können wir so oder so nur hoffen, dass Jubal und Gabrielle schnell hinausfinden. Im Moment sind beide noch am Leben. Ich würde es merken, wenn dein Bruder stirbt. Und du machst das sehr gut. Bleib nur ruhig! Wir werden hinauskommen, und dein Bruder ist ein Mann mit vielen Möglichkeiten.
Joie atmete tief aus und bemühte sich, ihren jagenden Herzschlag zu beruhigen. Warum greift uns dieses Ding nicht an? Kann es uns nicht sehen?
Der Schattenkrieger hat nicht angegriffen, weil wir nichts berührt haben. Wenn wir seine Aufmerksamkeit auf uns ziehen oder uns etwas nehmen, das die Magier hinterlassen haben, wird er
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