Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition)
zuschlagen.
Joie runzelte die Stirn. Mein Bruder hat die Waffe genommen, die ihm zugeflogen kam. Sie ist an seinem Handgelenk. Warum hat der Krieger ihn nicht angegriffen?
Das ist eine gute Frage. Der Schattenkrieger würde keinen Magier attackieren.
Joie missfielen der spekulative Ton und das Misstrauen in Traians Kopf, aber das Gewisper von Stimmen lenkte sie ab. Nur allzu deutlich konnte sie das unablässige Gemurmel hören, das ihren Kopf erfüllte – und den ganzen Raum zu einer einzigen Verlockung machte. Bevor es ihr selbst bewusst wurde, streckte sie die Hand nach einem Messer mit einer scharf aussehenden, gekrümmten Klinge aus. Sie fühlte sich so stark von der Waffe angezogen, dass es ihr buchstäblich in den Fingern zuckte, es in die Hand zu nehmen. Aber sie riss sich zusammen und widerstand der Versuchung. Die Stimmen wurden eindringlicher. Joie blickte zu den Glaskugeln hinüber und sah, dass alle in Bewegung waren; ihre klaren Farben, dunkleren Schattierungen und Edelsteine blitzten und funkelten vor Leben.
Traian nahm ihre Hände in die seinen. Sprich mit mir! Erzähl mir etwas über dich! Alles, was dir einfällt. Sieh nur mich an! Schau mir in die Augen, und sieh mich, nur mich!
Seine Hände waren so viel größer als die ihren, dass sie buchstäblich darin verschwanden. Als Joie gehorsam den Blick von den mit Edelsteinen besetzten Dolchen und Messern losriss, verlor sie sich in Traians dunklen Augen.
Um sie herum stiegen Rauch und Nebelschwaden auf und schufen eine Welt in den Wolken, in der Stimmen in einer uralten Sprache Worte flüsterten, die sich hart, aber nicht böse, und eindringlich, aber nicht autoritär anhörten. Farben pulsierten durch den Raum wie leuchtende Banner, die von den mit Hitze und Energie gefüllten Kugeln kamen.
Sieh nur mich an! , beharrte Traian, als sie versucht war, sich den Lichtern zuzuwenden. Das ist eine Falle, die für dich bestimmt ist und auf deine Freude an Waffen und auf deine Neugier setzt. Denk an mich! Lass mich dir erzählen, wer ich bin und was ich bin. Was ich brauche und was ich will. Ich möchte auch alles über dich und deine Familie wissen. Sprich mit mir! Sag mir, wer du wirklich bist und wofür du stehst. Erzähl mir alles über dich.
Der weiche, beschwörende Klang seiner Stimme rührte an Joies Herz, obwohl sie eigentlich glaubte, es könne nur körperliches Interesse zwischen ihnen geben. Schließlich war er mit Abstand der aufregendste Mann, dem sie je begegnet war. Sie befanden sich in tödlicher Gefahr, Vampire kauerten irgendwo im Raum und warteten nur auf den richtigen Moment zum Angriff. Ein Krieger, der jahrhundertealte Schätze in einer Welt der Zauberei bewachte, war aus den Schatten zum Leben erwacht, und dennoch faszinierte Joie nichts mehr als dieser Mann vor ihr.
Ich verstehe das mit uns nicht.
Natürlich verstehst du es. Traian schenkte ihr ein Lächeln, das seine strahlend weißen Zähne offenbarte. Das mit uns ist sogar sehr vernünftig.
Ihr stockte nahezu der Atem. Du weißt, dass ich als Bodyguard arbeite.
Joie fiel es ungeheuer schwer, sich dem Reiz dieser erstaunlichen Waffen zu entziehen, die sich in unmittelbarer Reichweite befanden, und ihr Blick glitt unwillkürlich wieder zu den kunstvoll verzierten Schwertern.
Traian hob jedoch mit einer Hand ihr Kinn an und zwang sie, zu ihm aufzublicken. Was für ein unvernünftiger Beruf, wenn du bei seiner Ausübung deinen kostbaren Körper zwischen jemand anderen und die Gefahr stellst!
Sie lachte leise in Gedanken, erstaunt, dass er sie sogar in einer so gefährlichen Lage noch derart faszinieren konnte.
Traian spürte, wie ihr Lachen ihn erfüllte und an Stellen rührte, die er längst vergessen hatte.
Du hast mehrere Lebenszeiten damit verbracht, Vampire zu jagen. Ich kann ein paar sehr interessante Erinnerungen in deinem Kopf wahrnehmen – vorausgesetzt natürlich, dass du nicht dein Leben lang Dracula-Filme gesehen hast. Ich glaube, dass du deinen kostbaren und ungeheuer sexy Körper viele Male zwischen andere Menschen und die Gefahr gebracht hast. Und sag jetzt nicht, dass du ein Mann bist und es bei dir etwas anderes ist. Das würde mich nämlich schwer verärgern.
Hasserfülltes Knurren vermischte sich mit heimtückischem Gewisper. Der kleinere Vampir, den Traian Shafe genannt hatte, tauchte zischend und spuckend aus dem schwarzen Glibber auf und schleppte sich auf dem Bauch über den Boden. Sein Blick war fest auf die größte Kristallkugel gerichtet,
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