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Die Sehnsucht der Pianistin

Die Sehnsucht der Pianistin

Titel: Die Sehnsucht der Pianistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Nachtigall Nora Roberts
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erholt hast.“ Er spürte, wie sie sich versteifte, und schüttelte den Kopf. „Nicht, Vanessa. Als dein Freund, als Arzt und als der Mann, der dich liebt, möchte ich wissen, was dich krank gemacht hat. Ich will sichergehen, dass es nicht wieder passiert.“
    „Wie du schon sagtest, ich bin wieder gesund.“
    „Magengeschwüre können erneut auftreten.“
    „Ich hatte kein Magengeschwür.“
    „Vergiss es. Du kannst reden, was du willst, aber Tatsache bleibt Tatsache. Ich will, dass du mir sagst, was in den letzten Jahren vor sich gegangen ist.“
    „Ich habe gespielt, war auf Tourneen.“ Verwirrt schüttelte sie den Kopf. „Wie sind wir nur vom Komponieren auf so was gekommen?“
    „Weil das eine zum anderen führt, Vanessa. Magengeschwüre sind oft nervlich bedingt, durch Ärger und Frust, den man in sich hineinfrisst.“
    „Ich bin nicht frustriert.“ Sie schob das Kinn vor. „Und du solltest von allen am besten wissen, dass ich nichts in mich hineinfresse. Frag, wen du willst, Brady, meine Temperamentsausbrüche sind auf drei Kontinenten bekannt.“
    Er nickte langsam. „Das bezweifle ich nicht. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass du deinem Vater jemals widersprochen hättest.“
    Sie verstummte. Brady hatte die Wahrheit gesagt.
    „Wolltest du komponieren oder auftreten?“
    „Man kann beides tun. Es ist eine Frage der Disziplin und der Prioritäten.“
    „Und wo setzt du deine Priorität?“
    Unbehaglich rutschte sie auf der Couch hin und her. „Es liegt doch auf der Hand, dass es die Konzerte waren.“
    „Du hast neulich einmal zu mir gesagt, dass du es hasst.“
    „Dass ich was hasse?“
    „Das sollst du mir sagen.“
    Sie stand auf und ging im Zimmer auf und ab. Eigentlich war es gar nicht mehr von Bedeutung, aber er saß da und sah sie wartend an. Vanessa wusste aus Erfahrung, dass er nicht aufhören würde, in sie zu dringen, bis er dahinter kam, was sie zu verbergen suchte.
    „Also gut. Die Vorstellungen haben mir nie Spaß gemacht.“
    „Du wolltest nicht spielen?“
    „Nein, das heißt, ich wollte keine Vorstellungen geben. Ich muss spielen, genau wie ich atmen muss, aber …“ Sie schwieg und kam sich vor wie eine Närrin. „Es ist nur Lampenfieber“, stieß sie heftig hervor. „Es ist dumm und albern, doch ich habe dieses Lampenfieber nie abschütteln können.“
    „Das ist weder dumm noch albern.“ Er erhob sich und kam auf sie zu. „Wenn du nicht spielen wolltest, warum hast du es dann getan? Ach ja, natürlich“, sagte er dann, bevor sie antworten konnte.
    „Es war ihm so wichtig.“ Sie setzte sich auf die Armlehne seines Sessels, stand dann jedoch unruhig wieder auf. „Er hat es nicht verstanden. Er hat sein ganzes Leben meiner Karriere gewidmet. Die Vorstellung, dass ich nicht auftreten wollte, dass ich Angst hatte …“
    „Dass es dich krank machte!“
    „Ich war niemals krank. Ich habe nicht eine Vorstellung versäumt.“
    „Nein, du hast auf Kosten deiner Gesundheit gespielt. Verdammt, Vanessa, er hatte kein Recht dazu.“
    „Er war mein Vater. Ich weiß, er war ein schwieriger Mann, aber ich verdanke ihm alles.“
    Er war ein egoistischer Hundesohn, dachte Brady, aber er schwieg. „Hast du je an eine psychiatrische Behandlung gedacht?“
    Vanessa hob die Hände. „Er hat es vorgeschlagen. Schwäche war ihm zuwider. Ich glaube, das war seine Schwäche.“ Für einen Augenblick schloss sie die Lider. „Du musst ihn verstehen, Brady. Er war ein Mann, der die Dinge, die ihm nicht passten, einfach nicht wahrhaben wollte. Sie existierten nicht für ihn.“ Wie meine Mutter, dachte sie traurig. „Ich konnte ihm nie begreiflich machen, dass das bei mir schon fast eine Phobie war.“
    „Erklär es mir.“
    „Jedes Mal, wenn ich zum Theater fuhr, sagte ich mir, dass es diesmal nicht passieren würde. Diesmal würde ich keine Angst haben. Aber dann stand ich in den Kulissen und war ganz krank vor Angst. Meine Haut wurde feucht, und mir war sterbenselend vor Übelkeit. Wenn ich dann erst mal am Klavier saß und spielte, war alles fast vergessen. Hinterher ging es mir gut. Deshalb sagte ich mir immer wieder, dass es beim nächsten Mal …“ Sie zuckte mit den Schultern.
    Er verstand sie nur zu gut. Und es schmerzte ihn, dass sie – oder ein anderer Mensch – Jahr um Jahr so leiden musste. „Ist dir je der Gedanke gekommen, dass er sein Leben durch dich lebte?“
    „Ja“, sagte sie dumpf. „Aber er war alles, was ich noch hatte. Und ob richtig oder

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