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Die Sehnsucht der Pianistin

Die Sehnsucht der Pianistin

Titel: Die Sehnsucht der Pianistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Nachtigall Nora Roberts
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hatte sich fest vorgenommen, Vanessa Zeit zu lassen. Sie sollte all die Romantik haben, die sie damals verpasst hatten. Lange Spaziergänge im Mondschein, Abendessen mit Champagner, Ausfahrten und ruhige Gespräche. Aber die alte Ungeduld zerrte an ihm. Wenn sie jetzt verheiratet wären, könnte er seine müden Knochen heimschleppen. Sie würde da sein. Vielleicht spielte sie Klavier oder lag zusammengerollt mit einem Buch im Bett. Im Nebenzimmer lag vielleicht ein Kind und schlief. Oder zwei.
    Nicht so hastig, rief er sich zur Ordnung. Aber bis zu ihrem Wiedersehen hatte er gar nicht gewusst, wie sehr er sich ein Heim und eine Familie wünschte. Die Frau, die er liebte, und ihre gemeinsamen Kinder, Weihnachtsabende und Sonntagnachmittage.
    Er lehnte sich zurück und schloss die Augen. Er konnte sich alles genau vorstellen, aber tief im Innern wusste er, dass seine Vision so manche Frage unbeantwortet und viele Probleme ungelöst ließ. Sie waren keine Kinder mehr, die von Träumen leben konnten. Aber er war zu müde, um logisch zu denken, und seine Sehnsucht war zu groß, um vernünftig zu sein.
    Vanessa stand an der Tür und betrachtete ihn mit einer Mischung aus Überraschung und Staunen. Dies war Brady, ihr Brady, aber hier wirkte er so anders, so professionell in seinem weißen Arztkittel und mit den gerahmten Diplomen an der Wand.
    Dies war nicht mehr der junge Himmelsstürmer, der sich über alle Konventionen hinwegsetzte. Dies war ein verantwortungsbewusster Mann, der das Vertrauen einer ganzen Stadt besaß. Er hatte seinen Weg gemacht.
    Und sie? Brady hatte seine Wahl getroffen und seinen Platz im Leben gefunden. Sie dagegen war noch immer auf der Suche. Aber wie sehr sie auch schwankte, sie fühlte sich immer zu ihm hingezogen. Wo immer sie war, sie sehnte sich zu ihm zurück.
    Mit einem leisen Lächeln trat sie ein. „Sie haben noch eine Patientin, Dr. Tucker.“
    „Was?“ Er riss die Augen weit auf. Ganz verwirrt starrte er sie an.
    Ohne weitere Umstände stellte sie einen Korb auf den Schreibtisch. „Hallo.“
    „Hallo“, grüßte auch er prompt, noch immer ganz perplex.
    Sie sah sich im Raum um. „Ich hätte mich fast nicht hereingetraut“, sagte sie. „Als ich in der Tür stand, wirktest du so … einschüchternd.“
    „Einschüchternd?“
    „Wie ein richtiger Arzt“, sagte sie lachend. „Einer von der Sorte, die einen piesacken und unleserliche Rezepte ausstellen.“
    „Ich kann den weißen Kittel ja ausziehen.“
    „Nein, ich glaube, er gefällt mir sogar. Solange du nicht mit einer Spritze kommst. Ich habe draußen deine Sprechstundenhilfe getroffen. Sie sagte, dass du für heute fertig bist.“
    „Gerade eben.“ Der Rest des Papierkrams musste eben warten. „Was ist in dem Korb?“
    „Das Abendessen … sozusagen. Herr Doktor, da Sie sich zu keinem Hausbesuch aufraffen konnten, musste ich eben in die Praxis kommen.“
    Die Müdigkeit wich aus seinem Gesicht, während er sie ansah. Ihr Mund war ungeschminkt, und auf der Nase entdeckte er ein paar Sommersprossen. „Setzen Sie sich, Ma’am, und schildern Sie mir Ihr Problem.“
    Umständlich kam Vanessa seiner Aufforderung nach. „Wissen Sie, Herr Doktor, ich fühle mich irgendwie benommen. Und zerstreut. Ich ertappe mich dabei, dass ich plötzlich nicht mehr weiß, was ich tun wollte, und einfach in die Luft starre.“
    „Hm.“
    „Und dann diese Schmerzen. Hier.“ Sie legte die Hand aufs Herz.
    „Aha. Weitere Symptome?“
    „Ein ständiges Herzklopfen, und nachts …“, sie sog an ihrer Unterlippe, „… habe ich diese Träume.“
    „Wirklich?“ Er kam um den Schreibtisch herum und setzte sich auf die Tischkante. „Was für Träume?“
    „Sehr intime Träume“, sagte sie verlegen.
    „Ich bin Arzt.“
    „Das sagen Sie!“ Sie sah ihn herausfordernd an. „Sie haben nicht mal verlangt, dass ich mich ausziehe.“
    „Ich bekenne mich schuldig.“ Er stand auf und nahm ihre Hand. „Kommen Sie mit.“
    „Wohin?“
    „Ihr Fall erfordert eine gründliche Untersuchung.“
    „Brady …“
    „Für Sie Dr. Brady.“ Er machte das Licht im Untersuchungszimmer an. „Und jetzt zu diesem Schmerz.“
    Sie musterte ihn argwöhnisch. „Du hast dich offenbar an deinem Wundspiritus vergriffen.“
    Er fasste sie um die Hüften, hob sie hoch und setzte sie auf den Untersuchungstisch. „Entspann dich, Süße. Man nennt mich nicht umsonst Dr. Samthand.“ Er nahm seinen Augenspiegel heraus und ließ das Licht in ihre Augen

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