Die Sehnsucht der Smaragdlilie
Spanien zurückzukehren und das Neugeborene in die Arme zu schließen.“
Doña Elena schürzte die Lippen, während sie das Medaillon zuschnappen ließ. „Leider hat er sich jetzt in der Nähe von Venedig niedergelassen. Doch ich hoffe, ihn bald wiederzusehen, wenn unser Aufenthalt in England beendet ist.“
Wann immer das auch sein mochte. Marguerite befürchtete, dass sie alle in Greenwich verweilen und immer und immer wieder durch die Gärten spazieren würden, ohne dass irgendein Beschluss fiel. Und sie hatte noch nicht einmal die geringste Ahnung, wie sie herauskriegen sollte, was diese Dame über Nikolai wusste. „Sie müssen sich eines Tages auch eigene Kinder wünschen, Señorita Dumas“, sagte Doña Elena.
Einen ganz kurzen Augenblick lang erinnerte Marguerite sich an die Tritte der Pferdehufe, den brennenden, sengenden Schmerz in ihrem Bauch. An ihren zwölf Jahre alten, noch kaum zur Frau erblühten Körper, der blutend auf der Erde lag. „Wenn Gott will, Doña Elena“, sagte sie und wusste sehr gut, dass sich sein Wille, was sie betraf, bereits gezeigt hatte. Schon vor langer Zeit hatte Gott sich von ihr abgewandt.
„Gehörtet Ihr zu meinem Kreis, würde ich Euch im Nu einen feinen Gatten besorgen“, meinte Doña Elena zuversichtlich. „Selbst vom Kloster aus arrangierte ich sieben glückliche Ehen unter den Kindern meiner Freunde! Ich bin bekannt dafür, dass ich ein Auge für eine gute Verbindung habe.“
Marguerite lachte. „Das muss in der Tat eine nützliche Gabe sein, Doña Elena.“
„Es verschafft mir eine große Befriedigung. Trotzdem haben einige Leute kein Vertrauen in mein Geschick. Sie verweigern sich dem, was das Beste für sie wäre.“
„Wirklich? Ich schwöre, mich habt Ihr überzeugt, Doña Elena! Ich wäre glücklich, mein Schicksal in Eure Hände zu legen, wenn ich das Glück hätte, eine Eurer Hofdamen zu sein.“
Doña Elena schüttelte bedauernd den Kopf. „Wenn Ihr mir nur helfen könntet, den armen Nikolai zu überzeugen.“
„Nikolai?“, fragte Marguerite ganz unschuldig. Bei der bloßen Erwähnung seines Namens fing es an, in ihrem Bauch zu kribbeln. Sie war wirklich eine Närrin.
„Nikolai Ostrowski, ein Freund meines Sohnes. Er führt ein solch unstetes Leben, Señorita! Reist in der Welt herum und besitzt kein eigenes Heim, obwohl sein Vermögen ihm das durchaus erlauben würde. Ein solch reizender Herr.“
„Ist das der gut aussehende Mann mit den goldfarbenen Haaren?“, flüsterte Marguerite.
„Ah, seht Ihr, Señorita Dumas, selbst Ihr habt Notiz von ihm genommen! Alle Damen tun das. Ich habe ihm schon so oft gesagt, dass eine jede meiner Begleiterinnen froh wäre, ihn zu heiraten. Doch immer lehnt er ab.“
Marguerite warf einen Blick über die Schulter auf Doña Elenas schnatternde Damenschar. Mit der glatten, jugendlichen Haut und den glänzend schwarzen Haaren waren sie sicher allesamt hübsch genug. Aber sicher zu jung, fromm und – zu spanisch für Nikolai! Wie sollte irgendeines dieser unreifen Dinger einen Mann wie ihn verstehen, wenn doch Marguerite es noch nicht einmal konnte?
„Nannte er einen Grund für seine Weigerung?“, fragte sie beiläufig.
„Nur, dass es in seinem Leben keinen Platz für eine Ehefrau gäbe. Aber ich sagte ihm, dass er nicht jünger würde! Wenn es in seinem Leben keinen Platz für eine Familie gibt, dann muss er sein Leben ändern und sich ein Heim schaffen, bevor es zu spät ist.“
Ein Heim . Marguerite hatte nie erfahren, was es bedeutete, in den Genuss eines richtigen Zuhauses zu kommen. „Er muss ein enger Freund Eures Sohnes sein, wenn Ihr so besorgt um ihn seid.“
„Das ist er in der Tat! Er rettete Marcos’ Leben.“
Sehr interessant . „Wie das?“
„Ich kenne keine Einzelheiten. Es geschah in Venedig. Oder war es in Wien? Gleich. Er rettete meinen Sohn, und dafür werde ich ihm immer dankbar sein. Und jetzt hat er diesen langen Weg auf sich genommen, um über mich zu wachen. So ein guter Mann, Señorita. Wenn er nur erlauben würde, dass ich mich bei ihm bedanke, indem ich ihm eine Gattin suche.“
Sie gingen weiter, und das Gespräch wandte sich leichteren Modethemen zu, doch in Marguerites Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander. Konnte es wirklich sein, dass Nikolai nicht wegen politischer Angelegenheiten und Staatsaufträgen hier in Greenwich war, sondern einfach aus Freundschaft?
Es erschien ihr fast unmöglich. Marguerite hatte noch nie von so etwas gehört. Nikolai musste
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