Die Sehnsucht des Dämons (German Edition)
sie presste und ihr das Gesicht ableckte. Ihre Wut auf Julian verrauchte augenblicklich. Vielleicht war er doch nicht das Monster, für das sie ihn hielt.
Julian schob die Hände in die Taschen und lehnte sich an eines der Bücherregale, um sie zu beobachten. „Keine Ahnung, wieso ich ihn behalten habe. Ich hätte ihn dem Nakara vorwerfen sollen.“
Erschrocken drückte sie den Welpen an sich.
„Vielleicht überlegst du es dir ja noch mal und nimmst ihn doch mit. Du möchtest doch nicht, dass er gefressen wird?“
„Das würden Sie nicht tun!“ Sie hätte wütend auf ihn sein müssen, aber mit einem so süßen kleinen Hund auf dem Arm war das gar nicht möglich. Spielte ihre Fantasie ihr einen Streich, oder war da so etwas wie Bedauern in Julians Miene?
„Mein Engel, ich habe schon wesentlich Schlimmeres getan“, sagte er sanft.
Am liebsten hätte sie ihn gefragt, was das gewesen sein könnte. Doch sie hielt sich zurück, denn in Wirklichkeit wollte sie es lieber nicht wissen. Sie knuddelte den Welpen und streichelte sein weiches Fell. „Hören Sie auf, mich so zu nennen. Ich bin nicht Ihr Engel.“
Milo versuchte, von ihrem Arm herunterzukommen. Sie setzte ihn auf den Boden, und er wackelte neugierig umherschnüffelnd davon.
Serena erhob sich und betrachtete die Bücherreihen, während Julian sich so dicht hinter sie stellte, dass sie seinen Atem in ihrem Nacken spürte. Sie konzentrierte sich auf die Buchtitel und tat so, als würde sie nicht die Hitze spüren, die von seinem Körper ausging. Machiavellis Fürst , Aristoteles’ Nikomachische Ethik. Ein ganzes Regal mit Shakespeares Werken. Die Kunst des Krieges von Sunzi.
„Sie sind wirklich belesen.“ Sie musste insgeheim zugeben, dass sie Julian nicht im Geringsten Paroli bieten konnte.
Die Buchtitel zeigten, dass er ein Stratege war. Ein Mann, der sich mit den Erkenntnissen der größten Denker beschäftigte. Der ein Gespür für die Feinheiten und die Verwundbarkeit der menschlichen Natur entwickelt hatte. Ein Mann, der so gefährlich war, dass sie ihm nichts entgegenzusetzen hatte.
Seine Stimme hinter ihr klang sanft. „Ich hatte viel Zeit.“
An einer Wand hing die gerahmte Seite eines Manuskripts, schon vergilbt vom Alter. Sie sah es sich näher an und las die Zeilen, die mit staksiger Handschrift geschrieben waren.
„In Xanadu ließ Kubla Khan
ein stattliches Lustschloss errichten …“
„Das erinnert mich an Sie. Der König des Lustschlosses.“ Serena las weiter und verharrte dann auf der Mitte der Seite.
„Ein wilder Ort, so heilig und verwunschen,
wie er je unter einem abnehmenden Mond
ward heimgesucht von einer Frau,
die um ihren Dämonen-Geliebten weinte.“
Sie erschauderte, und als sie sich umdrehte, bemerkte Serena, dass er sie die ganze Zeit beobachtet hatte. „Ich kenne dieses Gedicht.“
„Ja, Kubla Khan. Das Coleridge-Manuskript. Es ist natürlich das Original. Eine meiner größten Errungenschaften.“
„Wie meinen Sie das?“
Julians übliche ausdruckslose Fassade bröckelte etwas, und er konnte seinen Stolz kaum verhehlen. „Coleridge war opiumabhängig. Wenn er Opium geraucht hatte, schlief er ein. Später behauptete er immer, er hätte mehrere Hundert Zeilen dieses Gedichts geträumt. Als er einmal aufwachte, fing er wie wild an zu schreiben und schrieb diese drei ersten Strophen nieder. Dann unterbrach ihn ein Klopfen an der Tür und jemand, den er den ‚Mann aus Porlock‘ nannte, hielt ihn eine Stunde lang auf und vom Schreiben ab. Nach der Unterbrechung versuchte Coleridge das Meisterwerk seiner Träume zu rekapitulieren, doch von den insgesamt angeblich dreihundert Zeilen konnte er sich nur noch an vierundfünfzig erinnern.“
„Sie wollen mir erzählen, Sie sind der ‚Mann aus Porlock‘?“
Julian lächelte. „Und derjenige, der ihn opiumabhängig gemacht hat.“
„Aber das muss doch …“ Serena sprach nicht weiter.
„1797“, half er ihr aus. „Das Gedicht hat ein paar schöne Textzeilen, nicht wahr?“
Sein Blick wanderte zu ihren Lippen. Wieder hatte sie das Gefühl, gleich würde er sie küssen. Bevor es dazu kam, wendete sie sich wieder dem Manuskript zu. Hinter ihr beugte er sich nah an sie heran. Ihre Augen wanderten über die Worte, während er neben ihrem Ohr flüsterte:
„… und schließt eure Augen in heiligem Schauder,
denn an Honigtau hat er sich gelabt,
und getrunken die Milch des Paradieses.“
Seine Lippen streiften die zarte Haut hinter ihrem Ohr. Sie zitterte
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