Die Sehnsucht des Freibeuters: Er war der Schrecken der Meere - doch sein Herz war voller Zärtlichkeit. Roman (German Edition)
sie entführt worden und sie und Harding beinahe getötet worden wären, verhöhnte er sie auch noch und machte dieser Frau schöne Augen!
Woher kam die überhaupt so plötzlich? Normalerweise fielen Frauen ja nicht vom Himmel auf ein Schiffsdeck wie überreife Äpfel! Hatte er sich dieses Flittchen etwa schon auf Kuba an Bord geholt? War das einer der Gründe gewesen, weshalb er überhaupt dort angelegt hatte? Zu ihrem Ärger kam Jessica ihr auch noch dazu mit einem Lächeln entgegen und streckte ihr erfreut beide Hände entgegen.
»Meine liebe Miss Harriet, wie schön, Sie kennenzulernen. Ihre Mutter hat mir so viel von Ihnen erzählt! Wie schade, dass ich damals keine Gelegenheit hatte, Sie zu treffen.«
Ein näherer Blick auf Jessica bestätigte Harriets schlimmste Ahnungen. Sie war bildschön. Dunkelhaarig, mit ausdrucksvollen Augen, dunklen Brauen und Wimpern und einem Busen, der auf der Stelle Harriets glühendsten Neid erweckte. Und dazu noch ihre einnehmende Art, mit der sie sich bewegte und sie anlächelte. Harriet hätte sich am liebsten auf der Stelle umgedreht, um ins Wasser zu springen. Plötzliche, glühende Eifersucht schnürte ihr die Kehle zu. Es war, verflixt noch mal, kein Wunder, dass Charles sich in diese Frau vergafft hatte und ihr jetzt deshalb die kalte Schulter zeigte!
Harriet hob die Nase in die Höhe, um noch besser auf die andere, einen halben Kopf kleinere Frau hinabsehen zu können. »Ach ja? Wie ich von einigen Seiten hörte, habe ich tatsächlich einiges versäumt. Kleinere Skandale, in die meine Familie hineingezogen wurde.« So, das sollte ihr vorerst den Mund stopfen. Sie noch an ihr schimpfliches Benehmen ihren Eltern und Charles gegenüber zu erinnern war eine Unverfrorenheit. Wenn Charles dumm genug war, nichts dagegen zu sagen, war das seine Sache, sie gedachte diese Jessica nicht damit durchkommen zu lassen. Außerdem störte es sie, dass ihre Rivalin um Charles’ Liebe so sympathisch wirkte. Ihr offenes Lächeln, ihre wohlklingende Stimme und selbst ihr Äußeres waren angenehm. Hilfloser Groll mischte sich in Harriets Eifersucht.
»Sie sind mir böse, weil ich Ihren Eltern damals Unannehmlichkeiten bereitet habe, nicht wahr?«, stellte Jessica betrübt fest.
Charles warf Harriet einen scharfen Blick zu. Diese beachtete ihn nicht weiter, sondern setzte ihr arrogantestes Gesicht auf. »Weshalb sollte ich? Es war doch nur eine Kleinigkeit. Sie haben meine Mutter lediglich in Sorge gestürzt, haben sie in Skandale hineingezogen, sind davongelaufen, um in den Hafen zu springen und einem Verbrecher nachzuschwimmen, der des Landes verwiesen wurde. Ich sehe wahrhaftig keinen Grund, weshalb Ihnen das irgendjemand aus meiner Familie übelnehmen sollte.« Harriet schämte sich im selben Moment, in dem diese Worte aus ihr heraussprudelten. Zuerst denken, dann reden. Aber selbst wenn sie nachgedacht hätte, hätte die Eifersucht diesen spitzen Bemerkungen Bahn gebrochen. Sie lächelte kühl, drehte sich um und ließ Jessica und Charles stehen.
Etwas ziellos lief sie über das Deck. Es war zum Verzweifeln, dass sie auf diesem ganzen Schiff keinen Ort hatte, wo sie sich verstecken, über sich selbst, ihre Eifersucht, ihr unfassbares Benehmen und ihre unglückliche Liebe zu Charles weinen konnte. Sie biss, im Bemühen, sich zu beherrschen, die Zähne zusammen, bis sie knirschten.
»Entschuldigen Sie mich bitte«, hörte sie Charles sagen, dann war er auch schon hinter ihr her und packte sie am Arm. Obwohl sie ihn anzischte wie eine Schlange und sich wehrte, zerrte er sie vor den Augen aller – und vor allem vor Jessicas – hinter einige an Deck gelagerte Kisten.
»Was soll dieses unglaubliche Verhalten?«, fuhr er sie mit unterdrückter Stimme an.
»Unglaublich wohl eher von dieser Person«, erwiderte Harriet böse und nicht willens, auch nur einen Fingerbreit nachzugeben. »Wie kann sie es wagen, so mit mir zu sprechen, nachdem sie meinen Eltern solchen Ärger gemacht hat?«
Charles presste die Lippen aufeinander, dann sagte er: »Das war nicht ihre Schuld. Es war, wenn du es genau wissen willst, meine und die meines Vaters. Harding kannst du auch mit einbeziehen.« Er atmete tief durch. »Was ihr und ihrem späteren Mann durch unser Zutun widerfahren ist, kann kaum wiedergutgemacht werden.«
Harriet riss sich aus seinem groben Griff los. Seine Finger hatten gewiss Druckstellen auf ihrem Arm hinterlassen. »Von meiner Familie ist ihr nichts Übles widerfahren, und trotzdem
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