Die Sehnsucht des Freibeuters: Er war der Schrecken der Meere - doch sein Herz war voller Zärtlichkeit. Roman (German Edition)
Harriet nicht in Ihre Obhut geben, wäre ich nicht der Meinung, dass es für sie das Beste sei. Aber gnade Ihnen Gott, O’Connor, wenn Sie nicht gut auf sie aufpassen, denn ich werde es nicht tun.« In seinen Augen lag eine unverhüllte Drohung.
»Machen Sie sich nur keine Sorgen«, knurrte O’Connor gereizt. »Miss Dorley ist bei mir und meiner Frau gewiss besser aufgehoben als bei jemandem wie Ihnen.«
Das war auch der einzige Grund, weshalb er sie gehen ließ. Charles machte den Mund auf, um O’Connor zu sagen, dass er sich zum Teufel scheren solle, aber dann sah er unvorsichtigerweise auf Harriet, die ihn anstarrte. Sie sah so … ängstlich aus, blass und gekränkt.
Er straffte sich. Diese Leute waren seine Feinde, aber Jessicas Freunde. Es gab noch etwas, das er tun musste, Harriet zuliebe. Er trat vor Jessica, verabschiedete sich und sagte dann mit erzwungener Ruhe: »Es tut mir leid, was damals geschehen ist, Mrs.O’Connor. Ich habe die vollständigen Hintergründe erst später erfahren. Andernfalls hätte ich das alles nicht zugelassen.« Er sah dabei nur Jessica an. Sich auch noch bei O’Connor zu entschuldigen hätte seine Beherrschung und seinen guten Willen überschritten. Diese Demütigung hätte er auch für niemanden anderen über sich gebracht als für Harriet. Nun hatte O’Connor keinen Grund mehr, sie zu kränken, indem er ihn beleidigte. Und Harriet konnte seinetwegen verletzt werden, das war ihm mit einer Mischung aus Freude und Wehmut klargeworden.
»Kommt ein bisschen spät …«, fing O’Connor an, wurde jedoch unterbrochen.
»Schweigen Sie!« Harriets zartes Gesicht war vor Wut so gerötet, dass die Sommersprossen nicht mehr zu sehen waren. Ihre Augen blitzten, als sie sich vor O’Connor aufbaute. Harriet war um einiges größer als Jessica, allerdings viel schlanker, und gegen den breitschultrigen Mann sah sie aus wie ein kleines Mädchen. Charles hatte jedoch Verständnis, als Jack vorsichtig einen halben Schritt zurücktrat. Das hätte er an seiner Stelle jetzt auch getan.
»Mr.Daugherty hat mit dieser Entschuldigung, die er gar nicht nötig gehabt hätte, Hochherzigkeit und gute Erziehung bewiesen! Er hat sich als Gentleman gezeigt, was man von Ihnen nicht behaupten kann, Captain O’Connor«, sagte sie mit vor Leidenschaft bebender Stimme. »Sie haben ihm das Leben und die Freiheit Ihrer Frau zu verdanken. Wenn Ihnen daran etwas liegt, dann sollten Sie sich zumindest etwas Höflichkeit befleißigen. Und an dieser haben Sie es den ganzen Abend lang geradezu erbarmungswürdig mangeln lassen, Sir!«
O’Connor hatte sie verblüfft und reglos angestarrt, aber bei diesem vernichtenden »Sir« zuckte er merklich zusammen. Noch dazu, wo Harriet jetzt mit schmalen Augen einen Schritt näher an ihn herantrat. Es war schade, dass sie ihren Sonnenschirm nicht dabeihatte, Charles hätte gern gesehen, wie sie ihn auf O’Connors Schädel krachen ließ.
Er war gerührt, glücklich und unglücklich zugleich, weil sie ihn in Schutz nahm. Und obwohl er es durchaus befriedigend fand, wenn sein ehemaliger Rivale und nicht er das Ziel von Harriets Temperamentausbruch wurde, fand er es dennoch an der Zeit einzuschreiten. Harriet würde, wenn sie in diesem Zustand war, so lange weiterreden, bis von O’Connor nur ein vernichtetes kleines Häufchen Elend übrig war, das sich verzweifelt die Ohren zuhielt. Und seine eigene, ihm so sauer kommende Entschuldigung wurde sinnlos, wenn Harriet sich es jetzt mit Leuten verdarb, auf deren Wohlwollen sie auf der Reise angewiesen war.
Es gab mehrere Möglichkeiten, sie daran zu hindern weiterzusprechen, aber Charles wählte die reizvollste. Als sie mit ihrer Strafpredigt fortfahren wollte, trat er einen Schritt auf sie zu und griff nach ihr.
Harriet blieb das Wort im Hals stecken, als Charles sie plötzlich an den Schultern packte, sie zu sich herumwirbelte und sich zugleich so mit ihr drehte, dass sie von seinen breiten Schultern vor den Blicken der anderen geschützt war. Zuerst starrte er sie an, als wolle er sich für alle Zeiten jeden ihre Züge einprägen. Das Verlangen in seinen Augen ließ ihren Atem stocken, und dann schlug ihr Herz so schnell und heftig, dass es schmerzte.
Er küsste sie. Mit einer Glut und Verzweiflung, wie er sie noch nie geküsst hatte. Sie wollte sich an ihn schmiegen, ihre Arme um ihn legen, aber trotz der Heftigkeit des Kusses hielt er sie ein wenig von sich ab, so dass ihr Körper seinen nur sachte berührte. Der
Weitere Kostenlose Bücher