Die Sehnsucht des Freibeuters: Er war der Schrecken der Meere - doch sein Herz war voller Zärtlichkeit. Roman (German Edition)
doch leidenschaftlich. Sie versuchte, sich seine Worte in Erinnerung zu rufen. Sie konnte sich gut erinnern, wie sie versucht hatte, ihm zu erklären, dass sie Liebe wollte, und ihm den Unterschied zwischen Liebe und Verliebtheit klarzumachen, war sich aber nicht sicher, ob ihr das auch gelungen war. Und er … was hatte er gesagt? Sie runzelte die Stirn, als sie darüber nachsann. Hatte er auch etwas von Liebe gesagt? Nein. Er hatte nur irgendetwas darüber gefaselt, dass er froh wäre, noch alle Zähne zu haben, und hatte ihr dann irgendwann den Mund mit einem Kuss verschlossen. Und danach war ihr ohnehin das Reden vergangen. Aber … war es denn möglich, dass ein Mann eine Frau so zärtlich behandelte, sie so küsste, streichelte, wenn er nicht ebenfalls zumindest in sie verliebt war?
Sie dachte noch immer über dieses Problem nach, als sie schon völlig angekleidet war und die Tür zu den Arkaden weit aufstieß, um die leichte Brise und Kubas Düfte und Gerüche hereinzulassen. Dabei fiel ihr Blick auf Charles’ Haarschleife, die draußen auf dem Boden lag. Verständlicherweise hatte keiner von ihnen daran gedacht, sie wieder aufzuheben. Ob Charles wohl eine zweite hatte oder sein Haar an diesem Morgen offen tragen musste? Sie holte sie und band sich mit einem Schmunzeln ihre Locken damit zurück, bevor sie sich auf die Suche nach ihrem Liebsten und nach Lan Meng machte.
Beide waren nicht in ihren Zimmern.
Sie hielt eines der Mädchen auf, um nach ihnen zu fragen. Die Leute hier sprachen kein Englisch. Charles hatte seine Anordnungen in fließendem Spanisch gegeben, aber mit etwas Geduld und den wenigen Brocken, die Harriet aus ihrem Gedächtnis hervorkramte, verstand sie, dass die »Señorita« ausgegangen sei und die »Señores« sich auf einer hinteren Veranda im Garten befänden.
Die Señores konnten nur Harding und Charles sein. Harriet wollte zuerst neugierig losmarschieren, aber dann fiel ihr ein, dass ihr Vater es auch nicht mochte, wenn sie in Gespräche hineinplatzte. Der üppige kleine Park war jedoch so reizvoll, dass sie der Versuchung nicht widerstehen konnte und den Weg entlangschlenderte.
Vielleicht gelang es ihr, Charles’ Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, ohne ihn zu unterbrechen. Einfach nur, um ihn wissen zu lassen, dass sie wach war. Sie lächelte bei dem Gedanken. Wach und erpicht darauf, einen Guten-Morgen-Kuss zu bekommen. Sie ließ sich Zeit und flanierte den aus festgestampfter Erde bestehenden Weg entlang, so dass ihre Schritte kaum zu hören waren.
Stimmen drangen zu ihr herüber. Zwei Männer unterhielten sich, und in einem davon erkannte sie Charles. Ihr Herz schlug heftiger. Sie bog um eine blühende Buschgruppe und blieb wie angewurzelt stehen.
Charles und Ramirez hatten sich auf die Veranda eines Nebengebäudes zurückgezogen, um sich ungestört unterhalten zu können. Charles hatte so einiges mit seinem Geschäftspartner zu bereden, was außer ihnen niemand und Harriet am allerwenigsten hören sollte. Da hier alle nur Spanisch sprachen, konnten sie sich auf Englisch unterhalten, ohne Angst haben zu müssen, belauscht zu werden. Harding war schon am frühen Morgen auf die Sea Snake gegangen, um das Schiff klarzumachen und seine Reise nach Hispaniola vorzubereiten.
»Ich würde es Ihnen sagen, Mr.Daugherty«, bekräftigte Ramirez schon zum zweiten Mal, »wüsste ich, wer hinter den Überfällen auf Ihre Schiffe steckt.« Er machte ein so ehrliches Gesicht, dass Charles unter anderen Umständen gegrinst hätte. So wollte er jedoch nichts weiter, als das Gespräch schnell hinter sich zu bringen, um dann eiligst zu Harriet zurückzukehren. Die Erinnerung an ihr schlafendes, reizendes Gesicht und die unter der Decke hervorlugende Brust stand so plastisch vor ihm, dass er ungeduldig wurde.
Am Morgen hatte er im ersten Licht des Tages endlich mehr von ihrem Körper betrachten können, während sie nichtsahnend geschlafen hatte. Er hatte festgestellt, dass sich ihre bezaubernden Sommersprossen tatsächlich vom Hals und Dekolleté tiefer hinab fortsetzten, und gedachte, die Untersuchungen weiterzuführen. Die vergangene Nacht war bei weitem nicht ausreichend gewesen. Er hatte sie zweimal besessen, sich das erste Mal sehr, das zweite Mal schon weniger zurückgehalten, aber es war nicht genug. Als er sie am Morgen mit großem Bedauern verlassen hatte, war sein einziger Trost gewesen, dass dies erst der Beginn war und er sie von nun an täglich sehen und sie jede Nacht seines
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