Die Sehnsucht des Freibeuters: Er war der Schrecken der Meere - doch sein Herz war voller Zärtlichkeit. Roman (German Edition)
überschütten, um ihr erst gar keine Gelegenheit zum Nachdenken zu geben.
»Charles«, Harriet wies hoheitsvoll auf seine Hand, die ihren Arm so fest umklammert hielt, dass es weh tat, »du vergisst dich.«
»Verzeihung.« Er ließ sie sofort los. »Harriet, was ich noch sa…«
»Señorita! Wahrhaftig! Diese Augenweide wollte Charles mir verwehren!«
Charles fuhr herum, als der Pirat plötzlich an der Tür zum Salon auftauchte. Ramirez eilte trotz seines Körperumfangs behende näher und wollte Harriets Hand ergreifen, die sie ihm mit einem zuckersüßen Lächeln hinhielt, aber Charles war schneller. Er schlug Ramirez’ Finger weg, griff nach Harriets Hand und trat zwischen die beiden.
»Ramirez, wir werden unser Gespräch ein andermal fortsetzen.«
»Charles, wirklich, ich schäme mich für dein schlechtes Benehmen.« Harriet glitt an ihm vorbei und reichte Ramirez nicht nur eine, sondern gleich beide Hände. Dieser hatte zu Charles’ steigendem Grimm nichts Eiligeres zu tun, als sie nacheinander an seine Lippen zu ziehen und zu küssen. Er hätte ihn am liebsten am Kragen gepackt und über die Brüstung geworfen. Ramirez würde sich zwar hüten, eine falsche Bemerkung zu machen, aber er wollte nicht, dass Harriet vorläufig auch nur den geringsten Verdacht schöpfte, was seinen Umgang und seine Geschäfte betraf. Dazu war er sich ihrer bei weitem noch nicht sicher genug.
Harriet führte den Piraten jedoch schon in den Salon.
Ihr hübsches Hinterteil, das sie für seinen Geschmack im Moment viel zu sehr hin und her schwenkte, verschwand in der Tür. Charles sah verärgert, wie die glänzenden Augen des Mannes auf ihrer schlanken Figur lagen und genussvoll die Bewegung ihrer Hüften verfolgten, während sein Finger sinnend über seinen Schnurrbart strich. Als Ramirez ihr eifrig folgen wollte, hielt ihn ein harter Griff zurück. Charles’ durchdringender Blick, den er gut zwei Atemzüge auf Ramirez ruhen ließ, sprach Bände. Der Spanier grinste schief und ließ Charles den Vortritt.
Charles gelang es, Ramirez gegenüber von Harriet und möglichst weit weg zu plazieren, während er selbst hinter ihrem Stuhl stand und seinen Geschäftsfreund drohend fixierte.
Lan Meng glitt unauffällig ebenfalls ins Zimmer. Sie setzte sich schräg hinter Ramirez und betrachtete ihn wie eine Katze eine saftige Maus.
Harriet fand, dass dieser Ramirez kein solcher Widerling war, wie sie gedacht hatte. Er war charmant, beredt, höflich und überschäumend in seinen Komplimenten. Er fragte freundlich nach ihrem Befinden, ihren Eltern und dann nach dem Ziel ihrer Reise.
»Verwandte von mir leben in Boston. Ich war auf dem Weg zu ihnen, als unser Schiff von Piraten angegriffen wurde und mein lieber Charles mich rettete.« Sie wandte den Kopf, um den so Angesprochenen anzusehen, der die Hände auf ihrer Stuhllehne aufstützte und diesen Posten offenbar unter keinen Umständen aufgeben wollte. Ein falsches Lächeln stahl sich auf ihre Lippen.
Ramirez’ flinke Augen huschten von ihr zu Charles und wieder zurück. »Piraten? Wie schrecklich!«
»O ja!« Harriets Augenaufschlag war das Sinnbild gefährdeter Unschuld. »Und derjenige, der uns auflauerte, ist besonders berüchtigt.« Sie machte eine bedeutungsvolle Pause. »Ich weiß nicht, ob Sie schon von ihm gehört haben«, fuhr sie mit geheimnisvoll gesenkter Stimme fort, »aber unser Angreifer war niemand anderer als dieser berüchtigte El Capitano.«
Ramirez’ Augen wurden groß, seine Schnurrbartspitzen zuckten, und sein Blick glitt abermals zu Charles. Harriet sah, wie Lan Meng die Augen verdrehte.
»Da haben Sie großes Glück gehabt, Señorita, dieser Pirat ist wirklich ähem … sehr berüchtigt.«
»Ja, nicht wahr?«, stimmte Harriet mit großen Augen zu. »Und bekannt für seine Brutalität.« Sie vermeinte, Charles hinter sich schlucken zu hören. Seine Hände umklammerten ihre Stuhllehne so fest, dass das Holz knackte. »Es ist unfassbar, was man sich von ihm erzählt! Die grausamsten Dinge. Ein wirklich widerlicher, abstoßender Kerl vermutlich. Dabei sind die Leute sehr unterschiedlicher Meinung über ihn. Die Calcutta Gazette findet ihn ›dezent‹ in seinen Mordmethoden. Ich dagegen«, setzte sie mit einem strahlenden Lächeln hinzu, »halte ihn für jemanden, der an einem Galgen am besten aufgehoben wäre. Tatsächlich verabscheue ich öffentliche Hinrichtungen, aber dieser beizuwohnen wäre mir ein unsägliches Vergnügen.«
Das Holz krachte noch
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