Die Sehnsucht des Freibeuters: Er war der Schrecken der Meere - doch sein Herz war voller Zärtlichkeit. Roman (German Edition)
vielen Jahren habe ich El Capitano den Tod geschworen«, begann sie plötzlich mit einer Leidenschaft und Vehemenz, dass Johnson sie aufmerksam betrachtete und unauffällig nach seiner im Hosenbund steckenden Pistole tastete. »Und ich weiß, dass er langsam und schmerzvoll gestorben ist. Das ist gut. Ich hätte es nicht besser machen können. Aber«, und jetzt wurde ihr Blick weich, »ich habe nie Charles Daugherty Rache geschworen. Du wirst Harriet heiraten, und wir werden Partner, eine Familie.« Sie grinste breit. »Schöne, große Familie von Piraten.«
Johnson lachte.
12. Kapitel
Z wei Tage nachdem Charles aus El Morro entkommen und Harriet mit Harding davongesegelt war, stach die El Capitano in See. Es war nicht nötig, Johnson zur Abfahrt anzutreiben, der mindestens ebenso erpicht darauf war, der Grauen Eminenz des Daugherty’schen Piratenunternehmens zur Hilfe zu eilen und dabei gleich endgültig mit den Halunken abzurechnen, die ihnen in den letzten Jahren beträchtliche Verluste zugefügt hatten.
Das Glück war ihnen früher hold, als sie dachten. Sie hatten kaum die Floridastraße erreicht, die zwischen den Bahamas und der südlichsten Spitze Floridas hindurchführte, als sie auf eines der Piratenschiffe stießen.
Der Kampf war kurz und heftig, und ihr Sieg ebenso eindeutig wie die Überlegenheit des Waffenarsenals der El Capitano . Eine gutgezielte Breitseite hatte die halbe Mannschaft vom Deck gefegt, eine weitere hatte die Segel heruntergeholt und den Hauptmast zu Fall gebracht. Und dann war es für die Mannschaft der El Capitano unter der Führung von Charles und dem Ersten Offizier ein Leichtes, die Kontrolle über das Schiff zu übernehmen.
Danach stand Charles neben Johnson auf dem Achterdeck der El Capitano und beobachtete, wie seine Mannschaft Gefangene von dem anderen Schiff herüberschaffte, während Lan Meng etwas hinter ihm auf der Reling saß und vor sich hin summte. Charles’ Hemd und die Hose waren dunkel vom Blut der Piraten, seine alten Stiefel waren ebenfalls blutbespritzt. Um den rechten Arm hatte er einen Verband, auf der Stirn eine tiefe Schramme. Lan Mengs linkes Bein war verbunden, und sie war von Kopf bis Fuß besudelt, aber ihre Augen leuchteten. Sie hatte sich mit einer Verve in den Kampf gestürzt, die Charles und den anderen Männern unheimlich gewesen war. Er selbst fühlte jetzt eine seltsame Müdigkeit und Gereiztheit in sich. Es machte ihm keinen Spaß, Menschen abzuschlachten, auch wenn er im Gefecht keine Sekunde zögerte, seine Gegner auszuschalten. Außerdem setzte ihm die hilflose Angst um Harriet und Harding zu.
»Die Bauart ist nicht schlecht«, meinte er zu Johnson, während er das neben ihnen liegende Schiff betrachtete, das etwa die Größe ihrer eigenen Fregatte hatte, unter dem Kanonendeck jedoch eine Reihe von Luken für Ruder aufwies. »Unsere Männer sollen sie zum nächsten Hafen bringen und dort instandsetzen lassen. Diese Spezialkonstruktion können wir gut brauchen. Dagegen ist jeder Segler bei Flaute im Nachteil.«
Charles’ Niederlassungen dienten nicht nur dem Warenumschlag, sondern verfügten zudem stets über ein volles Ersatzteillager für ihre Schiffe. Dass dieses immer schön gefüllt war, dafür sorgten unter anderem auch die erbeuteten Prisen.
»Mein Erster Offizier wird das Kommando über die Prise übernehmen, wenn Sie einverstanden sind, Sir«, erwiderte Johnson. »Hawkins hat sich schon letztes Mal bewährt.«
Charles stimmte zu, verzog jedoch den Mund, als er den Haufen der Gefangenen betrachtete. »Da hat sich wirklich der größte Abschaum zusammengefunden. Ich glaube nicht, dass ich einen davon auf meinen Schiffen haben will. Suchen Sie noch die Besten raus, damit sie unsere Prisenmannschaft ersetzen, und dann sehen wir zu, dass wir schleunigst weiterkommen.«
Johnson hatte die Bande abgerissener Kerle ebenfalls näher begutachtet. »Die sehen tatsächlich aus, als würden sie ihrem Anführer bei der erstbesten Gelegenheit ein Messer in den Rücken stoßen. Captain Harding würde ein Exempel statuieren«, fügte er etwas zögernd hinzu. »Jeden Fünften an die Rah hängen oder eine Hand abhacken und dann laufen lassen. So was würde abschrecken.« Man sah Johnson an, dass er diesen Vorschlag nur widerwillig machte und es lediglich für seine Pflicht hielt. Charles, der sonst weder Harding noch Johnson ins Handwerk pfuschte, winkte sofort ab.
»Damit drohen Sie ihnen für das nächste Mal.« Johnson hatte schon recht, wenn
Weitere Kostenlose Bücher