Die Sehnsucht ist größer
Kirche vor mir. Es war ein ganz dichter und schöner Moment - und die Laudes hat für mich gepaßt.
Bisher geht unsere Rechnung hier oben im Refugio auf: Wir sind zu fünft, wir beide, der Ire, eine Frau mit schwarzem Seiden -BH, der dekorativ auf der Wäscheleine hängt, aber ohne Schlafsack und Decke - und Mick, ein Engländer, der grad aus der Dusche kommt und sagt, er hätte ja schon viel kalte Duschen auf dem camino erlebt, aber so kalt sei noch keine gewesen.
Na gut - heute abend muß aus meiner Sicht duschen nicht unbedingt sein...
Immerhin - wir sind zu fünft in zwei großen Schlafsälen untergebracht, das ist okay. Hoffen wir mal, daß es so bleibt...
Damit kämen wir aus dem Pilgerpulk heraus, der sich heute abend in Rabanal trifft. Das ist morgen früh unser Ziel, dort wollen wir nochmal einkaufen - und dann geht es in die Berge hinein. Wir möchten bei Tomas in der Berghütte übernachten. Das Wetter scheint schön zu bleiben und auf 1.500 Meter Höhe dürfte es auch mit der Hitze nicht allzu schlimm werden. Und lieber Plumpsklo als nochmal so eine Nacht wie in Astorga...
Christiane und ich sind uns einig: Lieber irgendwann 50 km mit dem Bus fahren, bevor wir jetzt ins Jagen und Hetzen kommen. Und der »kick-out« von Martin hat uns nochmal gezeigt: Hier ist nichts mittelfristig planbar. Der camino hat und birgt seine eigenen Überraschungen...
Freitag, 20.6.
Rabanal, 12.30 Uhr
Der gestrige Abend in Catalina war noch sehr schön, Christiane und ich haben im alten Unterstand für die Pferde gesessen, vino tinto getrunken, die Nacht war ruhig, wir konnten gut schlafen. Man lernt es zu schätzen...
Auf dem Weg hierher fiel mir ein, daß mein Satz »I’ve new fallen in love to God and I’m going to celebrate it« zwar durchaus stimmt - aber daß möglicherweise der Satz noch viel richtiger ist: »God has fallen in love with me and is going to celebrate it!« - ich erlebe diesen Weg, mein Unterwegs-Sein als Geschenk - und in mir ist ganz viel Dankbarkeit!
Manjarín, 17.30 Uhr
Fünf Stunden später - und wir sind in einer anderen Welt. Das ist ähnlich interessant hier wie in San Bol: Typ Allgäuer Berghütte, leicht esoterisch angehaucht, Wasser vom Brunnen, die Heizung besteht aus einem uralten Kanonenofen mit zwei Metern Ofenrohr, es gibt zwei Hunde, zwei Hühner, eine Gans - und Tomás. Wenn ich es richtig verstanden habe, hat Tomás was mit den Templern zu tun, ein Zeitungsartikel, den er ausgehängt hat, beschreibt ihn als Marxist und Christ. Ich kann mich fast nicht mit ihm verständigen - aber ich spüre, hier ist eine andere Welt. Oder ist es die eigentliche Welt?
Mick war schon da, als wir kamen, und geht Tomás zur Hand. Dazu kamen noch ein Belgier und ein Franzose, die der Regen oben am cruz de ferro überrascht hat.
Wir sind auf 1.500 m Höhe - und das Unwetter ist schnell von Westen hergezogen. Am cruz de ferro saßen Christiane und ich noch im schönsten Sonnenschein, inzwischen tobt es hier, prasselt der Regen auf das notdürftig geflickte Dach, Wolken jagen draußen an der Hütte vorbei - oder ist es doch Nebel? Die Geborgenheit der Hütte tut gut - und ich finde es spannend, daß gerade heute in der Vesper, in die ich einen Blick hineingeworfen habe, der Psalm 135 auftaucht: »Er führt Wolken herauf vom Ende der Erde, er läßt es blitzen und regnen, aus seinen Kammern holt er den Sturmwind hervor.« Gott in seiner Schöpfung, seine Macht, seine Größe, das erfahre ich hier nochmal am eigenen Leib. Nicht ich feiere mit Ihm - sondern Er feiert mit mir. Und es war ein wunderschöner Tag heute - der Aufstieg zum »Eisenkreuz«, den wir auf der sanft ansteigenden Straße gut hinbekommen haben, die Ebene zusehends hinter uns lassend. Da war eine ungeheure Weite, der Wind, die Wolken.
Und dann die halbe Stunde dort oben am cruz, dicht und intensiv. Ich habe den Stein vom Karmelberg in Israel auf den Steinhaufen gelegt, den mir Christiane letztes Jahr mitgebracht hat, und der mich an meine Geschichte mit dem Propheten Elija erinnert - und Christiane hatte einen Stein aus dem Sinai dabei. Damit reihen wir beide uns ein in die lange Reihe der Pilger, die hier auf diesem Paß etwas zurückgelassen haben, etwas »losgeworden« sind. Für mich war es eine sehr stille halbe Stunde, in der ich meinem Schöpfer sehr nahe war...
Interessant war der alte Eichenstamm, an den die Pilger sehr unterschiedliche Dinge gebunden hatten - von der verblühten Rose mit Gebetszettel
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